Episode 12: Objektive Moral

[Ein Auszug aus dem Essay „Von stinkenden Lilien und üppig belebten Seen: Freiheit, Moral und Karma“ (in: Auroville und das Narurrecht), das als Grundlage für unsere Erläuterungen diente]

In den fast zweihundert Staaten der Erde gibt es ebenso viele ver­schiedene Festlegungen dessen, was Recht und was Unrecht ist und wie Rechtsbrüche sanktioniert werden sollen. Diese Vielzahl verschiedener Rechtsnormen – man denke an solch extreme Bei­spiele wie die Scharia, die US-Verfassung oder das Bürgerliche Ge­setzbuch –, die sich überdies im Lauf der Zeit in Inhalt und Charak­ter wandeln, verleitet Menschen häufig dazu, in moralischen Relati­vismus zu verfallen. Moralischer Relativismus ist die Auffassung, dass das, was richtig ist, beliebig festgelegt werden kann. Nun ist natürlich nicht abzustreiten, dass sowohl rechtliche als auch morali­sche Vorstellungen – die sich im weitesten Sinn an einander anleh­nen – tatsächlich genau solcher Willkür entsprungen sind. An wel­chen Regeln wir unser Verhalten ausrichten, hängt in letzter Instanz von unserem Bild des Menschen und seines Platzes in der Welt ab, und dieses Bild unterscheidet sich von Kultur zu Kultur, von Land zu Land und von Mensch zu Mensch. In diesem unübersichtlichen Wust miteinander oft unvereinbarer Normen ist zweierlei unterge­gangen: erstens, die Bedeutung der Unterscheidung von Recht, Mo­ral und Ethik, und zweitens, der objektive Unterschied zwischen Richtig und Falsch. Letzterer führt in der Philosophie den Namen „Naturrecht“, aber es gab und gibt ihn unter diversen Namen in allen Kulturen. Am ehesten bekannt sind wahrscheinlich „Thomismus“, „Anthroposophie”, „Ursache und Wirkung“, „Karma“ und „Goldene Regel“.

Was sind Recht, Moral und Ethik?

Recht im juristischen Sinne (auch Positives Recht genannt) besteht aus durch Autoritäten festgelegten formalen Regeln, die mit Hilfe staatlicher Gewalt das Verhalten von Individuen und Gruppen in ei­ner Gesellschaft lenken sollen. Verschiedene Gesellschaften haben verschiedene Autoritäten, die hierbei verschiedene Maßstäbe anle­gen; allen gemeinsam ist jedoch die Erwartung unbedingten Gehor­sams und die Sanktionierung von Verstößen durch staatliche Ge­walt. Positives Recht – Verfassungen, Gesetze, Verordnungen und Urteilssprüche – befindet sich, wie wir sehen werden, in direktem Gegensatz zu natürlichem Recht, „einem Satz nicht vom Menschen gemachter, bindender und unveränderlicher Bedingungen, die die Folgen des Handelns aller Wesen regeln, die zu ganzheitlicher Intel­ligenz fähig sind“,1 so der Naturrechtsaktivist Mark Passio.

Im Sinne des Naturrechts ist ein Recht eine Hand­lung, die anderen empfindungsfähigen Wesen keinen Schaden verursacht.

Eine simple Feststellung, die in allen Kulturen seit urdenklichen Zei­ten verankert ist und die wir als „Goldene Regel“ bezeichnen. Der Verstoß gegen ein natürliches Recht schädigt den Empfänger des Verstoßes; es berechtigt diesen zu geeigneter Notwehr. Sri Aurobindo schreibt hierzu:

„Wenn man versucht, jede Möglichkeit zu atmen durch gewaltsame Mittel zu unterdrücken, wird jedes Mittel zur Selbsterhaltung recht und billig… Es ist die Natur des Drucks, die die Natur des Widerstandes bestimmt.“2

Verstöße gegen das Naturrecht entfalten langfristige Wirkungen im Gemeinwesen, die sich als Formen von Unordnung, Unfreiheit und kollektivem Leid äußern. Doch nicht nur der Verstoß, auch das Beachten natürlichen Rechts hat Folgen: Das Gemeinwesen gewinnt langfristig an Zusammenhalt, Freiheit, Ge­rechtigkeit und Wohlstand. Der bekannteste Begriff für diese Dyna­mik ist „Karma“ – ein Konzept, das leider meist völlig falsch als per­sönliches Sündenkonto verstanden wird.

Moral im derzeit geläufigen Sinne ist häufig, aber nicht notwendiger­weise, identisch mit dem Befolgen von Gesetzen. Moral besteht in den konkreten Verhaltensregeln, die in einer Gemeinschaft gelten, also darüber, wie man leben sollte. Sind diese Regeln normiert, spricht man von einem Verhaltenskodex. Abhängig von Kultur und Subkultur der Gruppe, zu der Menschen sich zählen, definiert Moral deren sozial akzeptables Verhalten. Ein Pazifist wird jegliche Kraftanwendung gegen Personen verurteilen, ein Soldat wird das ganz anders sehen.

Im Naturrecht ist jede Handlung moralisch, die keinen Schaden ver­ursacht. Wer Anderen Schaden zufügt, also gegen ihre natürlichen Rechte verstößt, handelt unmoralisch.

Stets unmoralisch und damit unrecht sind im Naturrecht Lüge, Diebstahl, Eigentumszerstörung, Einbruch, Nötigung, Vergewal­tigung, Körperverletzung, Sklaverei, Gefangennahme und Mord – Handlungen, die die Naturrechte des Opfers verletzen.

Notwehrhandlungen sind dagegen moralisch akzeptabel und stellen niemals Gewalt dar.

Ethik und Moral werden häufig synonym verwendet und es gibt auch eine Vielzahl verwirrender Definitionen ihrer Bedeutung. Land­läufig wird unter Ethik jedoch ein Satz veränderlicher Werte und Grundsätze verstanden, die das Handeln des Individuums bestim­men. In der Philosophie wiederum ist Ethik, so der Philosoph Christi­an Wellmeier, das Nachdenken über die Moral, deren Begründung.

Im Naturrecht ist das Nachdenken über Richtig und Falsch die Voraussetzung für moralisch richtiges Handeln.

Damit handelt, wer nicht bewusst über moralisch richtiges Verhalten nachdenkt, unbewusst und unethisch. Wer nicht ethisch denkt, kann nicht moralisch handeln, d.h. er nimmt seine Rechte nicht wahr und verletzt mit hoher Wahrscheinlichkeit die seiner Mitmenschen. Ohne es zu wissen handelt er unter Umständen unmoralisch und unrecht.

Bemerkenswert am Naturrecht ist, dass sich ethisches Denken und moralisches Handeln immer harmonisch zu einander verhalten, weil sie sich auf dieselbe Quelle zurückführen lassen: das objektive Wis­sen um Richtig und Falsch. Dieses Wissen gründet sich auf die Be­obachtung von Ursachen und Wirkungen, die unsere Spezies seit ihrem Bestehen führt. Menschen haben daher über Jahrhunderttau­sende so selbstverständlich in egalitären Gemeinschaften gelebt wie Vögel in Schwärmen. Erst mit dem Entstehen von Zivilisationen, also dem Zusammenleben in hierarchisch organisierten Gesellschaf­ten mit einer Gesetz stiftenden Autorität an der Spitze, die das Befol­gen von Befehlen kultivieren, beginnen Recht, Moral und Ethik zu di­vergieren. Der Schweizer Philosoph Chnopfloch beschreibt treffend die Dynamik, die sich hieraus ergibt:

„Es ist Krieg in dieser Welt, ein Krieg zwischen Mo­ral und Ethik. Um das zu verschleiern, werden die­se beiden Wör­ter gleichgesetzt – um zu verschlei­ern, dass die Ethik des Einzelnen und die Moral der Gesellschaft auseinanderge­laufen sind und sich weit von einander entfernt haben. Denn nur die Mo­ral kann von den Kontrolleuren manipu­liert und für ihre Zwecke missbraucht werden, und nur über die Moral können Menschenmassen kontrolliert wer­den. Es liegt an jedem Einzelnen von uns, zu entscheid­en, auf welcher Seite wir kämpfen, und wir müssen uns für eine Seite entscheiden, denn heute hat der Mensch nur noch die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten: mora­lisch zu sein und unethisch, oder ethisch zu sein und un­moralisch. Hörst du auf die Gesellschaft und auf das, was andere dir sagen, oder hörst du auf die Gesetze des Le­bens, die inne­re Stimme, welche die Natur eigenhändig in dein Herz geschrieben hat?“3

Wie kommt es zu dieser Dynamik?

Wie bereits in vielen meiner Artikel beschrieben und hergeleitet handelt es sich bei Zivilisationen um Kulturen, die ein Programm zur Kontrolle der Welt bzw. Wirklich­keit abspulen. Ihr gesamtes Tun ist darauf ausgerichtet, uner­wünschte Ereignisse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlich­keit auszuschließen und gewünschte Ereignisse mit ebensolcher Wahrscheinlichkeit eintreten zu lassen. Das erfordert eine Kategori­sierung von Phänomenen in positive und negative, denen man so­dann mit normierten Handlungen begegnet. Sowohl Kategorisierung als auch Normierung sind nichts anderes als willkürliche Festlegun­gen. Sie orientieren sich zwar an Schaden und Nutzen, doch die Festlegungen entsprachen von Beginn an – und entsprechen bis heute – stets dem Interesse desjenigen, der sie trifft. Daraus folgen drei naturrechtlich unmoralische Tatsachen:

1) Die im Recht kodifizierten Festlegungen erzwingen die Ethik des Gesetzgebers, und diese ist, weil sie die Freiheit der „Untertanen“ verleugnet, intrinsisch soziopathischer Natur, also naturrechtlich un­moralisch;

2.) Die vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Handlungen sind häufig – und die vorgeschriebenen Sanktionen für Nichtbefolgung immer – mit Gewalt oder deren Androhung gegen Befehlsempfänger verbun­den. Daher sind sie naturrechtlich stets unmoralisch.

3.) Das Befolgen von Regeln und das Ausführen von Befehlen ist stets unmoralisch, weil die Ethik des Befehlsempfängers für ihre Umsetzung keine Rolle spielt. Entweder muss er gegen sein ethi­sches Verständnis verstoßen, dieses entsprechend den Vorschriften zurechtbiegen oder ethische Überlegungen völlig unterlassen. Dies ist naturrechtlich unethisch und daher unmoralisch und daher un­recht – kurz: falsch. Milde ausgedrückt:

Nur weil etwas legal ist, ist es nicht mora­lisch richtig (korrekt & gut).

Wenn eine gesetzliche oder sonstige Regel dem Naturrecht wider­spricht, ist sie ungültig. Entspricht sie dagegen dem Naturrecht, so ist sie überflüssig. Legal und illegal sind naturrechtlich völlig egal.

Meine langjährigen Leser werden wissen, dass der Autor dieser Zei­len in Auroville lebt, einer im Aufbau befindlichen Stadt, die 1968 nach den Prinzipien einer Sonderform des Naturrechts gegründet worden ist: des Integralen Yogas. Den Lehren des indischen Philo­sophen Sri Aurobindo folgend legte Stadtgründerin Mirra Alfassa, hier nur „Die Mutter“ genannt, fest, dass es keine Regierung, keine Gerichte und keine Polizei geben dürfe. Es sollten keine Gesetze gelten, intern kein Geld verwendet und keine bewusstseinsverän­dernden Substanzen konsumiert werden. Politik, Tradition und her­kömmliche Moral sollten keinen Einfluss auf das Handeln der Stadt­bewohner haben, Klatsch und Tratsch vermieden werden. Sie soll­ten „ein göttliches Leben, jedoch ohne Religion“ führen, so Mirra Al­fassa. Ihr Verhalten sollten sie am höchsten ihnen verfügbaren Be­wusstsein ausrichten und ihre Konflikte durch guten Willen lösen. Weshalb? Weil alle hier verneinten Elemente die freie Entscheidung zum Guten beeinflussen, korrumpieren oder gar verhindern. Nur eine völlig frei gefällte Entscheidung, bei der die objektiven Kriterien für Richtig und Falsch berücksichtigt werden, kann moralisch richtig und gut sein. So stellt Paulus in seinem Brief an die römischen Christen fest, dass sie vom alten, menschengemachten Recht be­freit seien, um aus freien Stücken ihrem Gewissen zu folgen, ent­sprechend der Botschaft des Gottessohns:

„Nun aber sind wir vom Gesetz frei geworden und ihm ab­gestorben, das uns gefangen hielt, so dass wir dienen im neuen Wesen des Geistes und nicht im alten Wesen des Buchstabens.”4

Der objektive Unterschied von Richtig und Falsch

Und damit kommen wir zum Kernpunkt, nämlich inwiefern Moralität nicht relativ sondern objektiv feststellbar ist. Moralischer Relativis­mus bedeutet, das jede moralische Sichtweise mit jeder beliebigen anderen gleichwertig ist, weil sie alle im Grunde willkürlich einge­führte Regeln darstellen. Dass dies in der Praxis so gehandhabt wird, ist nicht abzustreiten. Die Vielzahl existierender Moralsysteme zeugt davon. Das heißt jedoch keineswegs, dass es allen morali­schen Regeln am konkreten Fundament mangelt. Wir stellen fest, dass bestimmte Regeln – grob gesagt solche, die mit der „Goldenen Regel“ kompatibel sind – in allen Kulturen und zu allen Zeiten gegol­ten haben. Das spricht bereits für ihre universelle Wirksamkeit in der Welt des Menschen. Es zeigt, dass diejenigen, die ethisch dachten, überall zu denselben Beobachtungen über die menschliche Natur gekommen sind und dass sie wussten, dass jede Handlung Folgen hat. Konkret lässt sich feststellen, dass Gemeinschaften, die das Naturgesetz befolgen, zu vermehrter Freiheit, Gerechtigkeit und Pro­sperität neigen; wo die Naturgesetze bewusst oder unbewusst miss­achtet werden, verfallen die Sitten, mehrt sich die Ungerechtigkeit und tendiert die Gemeinschaft zu Unfreiheit bis hin zu Sklaverei.

Daher erschlossen aufmerksame Beobachter der conditio humana zu allen Zeiten an allen Orten die Handlungsmaxime: Ohne Not et­was von anderen zu nehmen, was jenen zugehört – Eigentum, Le­benspartner, Leben, Gesundheit, Sicherheit, Freiheit, Wahrheit –, ist unethisch, unmoralisch und unrecht. Oder anders herum ausge­drückt: Rechtes Handeln ist ein Handeln, das anderen empfindungs­fähigen Wesen keinen Schaden verursacht. Wenn man Menschen, die glauben, Moral liege im Auge des Betrachters, mit schadbringen­den Handlungen wie Vergewaltigung, Sklaverei, Mord oder Verlust des Eigentums konfrontiert, werden sie unabhängig von ihrem kultu­rellen Hintergrund eingestehen, dass solche schlecht sind – außer man spricht zu Psychopathen. Es ist also nicht egal, welche morali­schen Regeln gelten. Die Instanz, die dem Menschen das in­tuitive Wissen um moralisch richtige und moralisch falsche Handlun­gen zu Bewusstsein bringt, heißt Gewissen.

Evolutionisten gehen davon aus, dass jede Eigenschaft eines Lebe­wesens deshalb von einer Generation an die nächste vererbt wird, weil sie einen evolutionären Vorteil bietet. Gläubige aller Religionen gehen davon aus, dass der Schöpfer den Menschen mit Bedacht derart ausgestattet hat, dass er rechtes von unrechtem Handeln un­terscheiden kann und frei ist, von diesem (Ge-)Wissen Gebrauch zu machen.

Die allen Menschen innewohnende Instanz des Gewissens, seine Bestimmung und seine Nützlichkeit zur Erfüllung dieser Bestimmung werden also eher selten offen bestritten. Wir sind von unserer Natur aufgerufen, unser Gewissen anzuhören. Moralischer Relativismus leugnet das Gewissen, Gehorsam unterdrückt es gleich ganz. Beide Haltungen sind kategorisch falsch, nicht nur weil sie unmoralisch sind, sondern weil sie dem Bösen Tür und Tor öffnen. Totalitarismus bedarf dieser ethischen Armut.

Warum ist die objektive Kenntnis von Richtig und Falsch notwendig?

Dem Gewissen zu folgen, das den objektiven Unterschied zwischen Richtig und Falsch intuitiv kennt, ist zu unserem Vorteil, denn nur moralisch richtige Handlungen führen zu Ordnung, Frieden und Ge­rechtigkeit. Das Gewissen kann vom rationalen Bewusstsein oder den Gefühlen übertönt werden. Darum ist es wichtig, sich die intuiti­ven Gewissensinhalte auch rational bewusst zu machen, und es ist gleichermaßen wichtig, ein empathisches Verständnis für das Frei­heitsstreben (also die Wahrnehmung von Rechten) anderer fühlend­er Wesen zu kultivieren. Das Wissen um die Regeln, die die conditio humana bestimmen – mit anderen Worten, das Naturrecht – ist un­abdingbar für die Herstellung und den Erhalt eines Gemeinwe­sens, das Frieden, Glück und Gerechtigkeit dient. Was sich im Ingenieursw­esen von selbst versteht, nämlich dass ein funktionsfähi­ges Konstrukt nur aufgrund korrekt erhobener Tatsachen und ver­standener Gesetzmäßigkeiten gebildet werden kann, gilt auch in der Sozio­logie: Eine auf Ignoranz gegenüber objektiver Moral basieren­de Le­bensweise kann niemals ein positives Ergebnis nach sich zie­hen; dann „funktioniert“ die Gesellschaft eben nicht, sondern ver­sinkt in allen möglichen Formen des Leids. Mehr noch:

Nur wenn wir die Gesetze des Lebens befol­gen, er­laubt dies die Aussicht auf das Fort­bestehen unserer Gattung, stellt der Ro­manautor Daniel Quinn in seiner Ismael-Tri­logie fest.

„Das Gesetz des Lebens beherrscht das Leben nicht, es begünstigt das Leben. Alles, was das Le­ben begünstigt, fällt unter das Gesetz… das, was ich das Gesetz des Le­bens nenne, ist lediglich eine Sammlung evolutionär sta­biler Strategien.“5

Ivan Illich, wie auch viele andere, war der Überzeugung, dass

Die menschliche Natur … gerade so vorgegeben [ist] wie die physische Natur, … eine Gesellschaft kann nur inso­weit gut sein, als ihre Prinzipien von der Erkenntnis dieser Natur geprägt sind. [Illichs Werk] „Selbstbegrenzung“ [1973] entstand aus sei­ner Furcht, dass die Gesellschaft, über die er schrieb, nicht nur die menschliche Natur be­drohte, sondern kurz vor deren völliger Abschaffung stand.“6

Diese Abschaffung begann nicht erst mit der Anwendung von Gen­manipulationen oder Chip-Implantaten. Sie folgt auf einen lang an­haltenden Erosionsprozesses unserer Fähigkeit, uns selbst zu ken­nen, d.h. frei im Rahmen dessen zu leben, was man das Gesetz Gottes, das Naturrecht, das Dharma, das Gesetz des Lebens oder den Integralen Yoga nennt.

Wir tun also gut daran, den in unserer menschlichen Natur veranker­ten Erkenntnissen über Ursache und Wirkung in sozialen Angele­genheiten genauso viel Aufmerksamkeit zu schenken wie den physi­kalischen Gesetzmäßigkeiten. Das Gesetz menschlichen Lebens, d.h. die evolutionär stabile Strategie für menschliches Handeln bzw. ein gottgefälliges Sein, ist das Naturrecht, wie es von all den unzäh­ligen Gemeinschaften seit Bestehen der Gattung homo praktiziert wurde – nur nicht von unserer Kultur, der Zivilisation.

Erwähnte Literatur:

Fußnoten:

1 Mark Passio: The Science of Natural Law

2 Sri Aurobindo: The Doctrine of Passive Resistance (1948)

3 Chnopfloch: Fachidi­oten, Gurus und der Krieg. youtube, August 2021

4 Paulus: Rö­merbrief, 7:6, Elberfelder Bibel.

5 Daniel Quinn: The Story of B (1996)

6 David Cayley: Ivan Illich. An Intellectual Journey (2021)

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