Sicher ist das Ausmaß der Lebensbedrohung in westlichen Ländern – zumindest oberflächlich betrachtet – nicht so hoch wie in Kriegs- oder Hungergebieten. Wir sind außerdem mit allerhand Gütern und technischen Geräten ausgestattet. Es ist angebracht, dankbar zu sein für das, was man hat bzw. was einem erspart bleibt, aber gelitten wird auch bei uns. Und das nicht zu knapp.
Das relative „Privileg“, in einer Hoch-Zivilisation zu leben, darf nicht zur Entschuldigung für Unrecht werden, zumal unser Wohlstand auf dem Rücken der weniger Glücklichen steht. Viele Menschen würden jedoch so weit gehen, angesichts des „Erreichten“ jede fundamentale Kritik zurückzuweisen. Sie sitzen einem Fotschrittsmythos auf.
Denn mitnichten sind Computer und Smartphones und andere technische „Errungenschaften“, oder die „Triumphe“ in der Wissenschaft, Soziologie usw. so harmlos, wie es auf den ersten Blick scheint. Wer sich in eine Kontemplation über diese Dinge begibt, wird schnell feststellen, dass ihre Existenz ohne eine Vielzahl von Nebenwirkungen unmöglich ist.
Dabei sind die Dinge selbst häufig weniger das Problem als die Verführung, die von ihnen ausgeht. Wir verhalten uns wie Kinder in einem Spielzeugladen. DAS muss sich ändern.
Wir werden daher Spieß umdrehen und fragen, was Zivilisation uns gekostet hat: Umweltzerstörung, Ausbeutung und Sklaverei, Volkskrankheiten, Massenpsychosen, Totalitarismus, und inzwischen den fast vollständigen Verlust der Freiheit, um nur einige der großen Plagen zu nennen.
Man muss das einen Rückschritt nennen gegenüber Kulturen, die sehr viel mehr Lebensglück, Freiheit und artgerechtes Dasein haben & hatten.
Der Artikel „Aus dem Wörterbuch der Zivilisation“, besteht aus einer unvollständigen Liste von Phänomenen, die wir ausschließlich oder in extremo nur in Kulturen wie der unsrigen finden, darunter auch einige scheinbar positive Elemente, deren verdeckte Kosten horrend sein können.
Ein weiterer wichtiger Punk bei der Frage, ob wir auf hohem Niveau jammern, sind die Breiten- und Langzeitwirkungen unserer Kultur. Die Mehrzahl der Menschen vor allem in der westlichen Welt und den von ihr abhängigen Regionen erleben eine permanente Traumatisierung von der Zeugung bis zur Bahre.
Das individuelle Trauma pflanzt sich als Bugwelle in Raum und Zeit fort: über Sozialisation und Bildung der nächsten Generation, über epigenetische Prozesse und durch re-traumatisieredes Handeln. Das heßt, wir ver-ständigen Gewalt und Ungerechtigkeit.
Das heißt wiederum, dass permanente Verstöße gegen das Naturrecht ins System eingebaut sind. Weder für uns noch für die Menschen um uns herum kann je Frieden herrschen. Solange die Mehrzahl der Menschen amoralisch oder vorsätzlich unmoralisch handelt, wird es keinen Frieden und keine Gerechtigkeit geben.
Der Teufelskreis kann durchbrochcen werden. Charles Eisenstein schreibt in „Die Renaissance der Menschheit“:
Eine andere Form des Seins ist möglich, und das direkt vor unseren Augen, näher als nah; so viel ist offensichtlich sicher. Dennoch entschlüpft es auch wieder so schnell, dass wir kaum glauben, es könnte die Grundlage für unser Leben bilden. Daher schreiben wir es einem Leben nach dem Tode zu und nennen es Himmel oder wir schreiben es einer ungewissen Zukunft zu und nennen es Utopia … Wie auch immer, wir trennen es ab von dieser Welt und diesem Leben; dadurch streiten wir ab, dass es im Hier und Jetzt praktikabel und realisierbar ist…
Doch das Wissen, dass das Leben mehr ist, kann nicht unterdrückt werden, jedenfalls nicht für immer. Ob nun für mich oder die Welt, ich teile mit Träumern, Utopisten und jungen Leuten die ungebührliche Intuition, dass das Leben und die Welt ein großartiges Potenzial besitzen, dass sie mehr sein können als das, was wir daraus gemacht haben.
Es ist unser Anliegen, in dieser Richtung etwas zu bewegen.