„Nichts und niemand kann dich befreien als dein eigenes Verstehen“, spricht Ajahn Chah (1918-1992), ein taiwanesischer Thai-buddhistischer Mönch, und er fragt an anderer Stelle: „Wenn Du verstanden hast, warum handelst du nicht?“
Mit der zweiten Sendung möchten wir auf die Zielsetzung unserer Sendereihe eingehen, den Selbst-bestimmt denkenden, fühlenden & handelnden Menschen wieder herstellen zu helfen.
Das „Selbst“ steht hierbei mit Absicht groß geschrieben, um es von der Freud‘schen Ego-Person zu unterscheiden. Das Wort „Selbst-bestimmt“ ist in Gegensatz zu fremdbestimmt zu sehen, d.h. wir orientieren uns in unseren Entscheidungen nicht an anderen, sondern an unserem wahren, mit der Wirklichkeit verbundenen Selbst.
Dabei spielen auch Gefühle und Intuitionen eine wichtige Rolle. Diese sind nicht rein subjektive, vernachlässigbare Störgeräusche, sondern Teil unserer Fähigkeit, Wahrheit und Wirklichkeit zu erfassen.
Immanuel Kant schrieb in seinem berühmten Aufsatz „Was ist Aufklärung?“ (1784):
„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
Besonderes Gewicht kommt aus unserer Sicht dem Mut zu, jedoch nicht nur, um sich frei seines eigenen Verstandes zu bedienen, sondern auch auf sein Gefühl zu hören und vor allem, um das Verstandene in rechtes Handeln umzusetzen.
Diese Fähigkeit wieder herstellen zu helfen bzw. wieder erlebbar zu machen, sehen wir als unseren Auftrag. Dass dies möglich ist, zeigt das Beispiel vieler Selbst-bestimmter Menschen und Völker der Vergangenheit (und in wenigen Fällen auch der Gegenwart). Die Aufgabe, sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit zu befreien, kann jedoch in jedem Fall nur der Einzelne erreichen. Eine Befreiung von außen ist unmöglich.
Wenn unser Denken, Fühlen und Handeln mit der nach bestem Wissen und Gewissen erfassten Wirklichkeit (also Wahrheit) übereinstimmt, haben wir verstanden, und wir können und sollten dann entsprechend handeln. In dieser Harmonie von Wirklichkeit, Denken, Fühlen und Handeln besteht die Grundlage für rechtes / richtiges / moralisches / weises Handeln.
Hallo Jürgen, Hallo David, 🙂
Danke vielmals für eure wertvolle Arbeit. Bin neulich (vor ca. 2 Wochen oder so) auf euren Kanal aufmerksam geworden, da ich das Kybalion gerade dabei bin zu studieren. ( Dabei hab ich ein Video auf Youtube von dir, Jürgen entdeckt. 😉
Ihr habt über moralisch richtiges Handeln gesprochen:
Woran macht ihr es fest, was moralisch richtiges Handeln ist?
was ist für euch moralisch richtiges Handeln?
Und wer bestimmt darüber, was moralisch richtiges Handeln ist?
Zu Naturrecht hab ich auch noch ne Frage, doch da schaue ich mir erst noch eure Videos an.
Alles Liebe
Holger
Lieber Holger,
vielen Dank für Deine Nachricht. Moral im Sinne des Naturrechts lässt sich objektiv feststellen. Jede Handlung, die anderen empfindungsfähigen Wesen – sicherlich Menschen – keinen Schaden initiiert, ist ein Recht, also moralisch richtig. Das Wort “initiieren” deutet schon an, dass Notwehr und Nothilfe nicht als unmoralisch, als Gewalt zu zählen sind, sondern als Handlungen zur Abwendung, Verhinderung oder Beendigung von Unrecht. Das Initiieren von Schaden ist an sich ein rational-objektives Kriterium; man könnte Lüge, Diebstahl, Einbruch, Körperverletzung, Vergewaltigung, Freiheitsberaubung, Mord sowie die Drohung mit ihnen als Hauptbeispiele nennen.
Wir haben des Weiteren auf der Gefühlsebene das angeborene Gewissen als universalen Indikator für die Recht- oder Unrechtmäßigkeit einer Handlung.
Menschen sind frei darin, sich für oder gegen objektiv moralisches Handeln zu entscheiden oder Moral zu ignorieren. Sie sind nicht frei, sich von den Konsequenzen freizustellen, weil es sich um natürliche bzw. gottgegebene Prinzipien und Gesetze handelt, ähnlich den physikalischen Gesetzen. Kein Mensch bestimmt also über die Moralität. Weder die moralischen Grundsätze noch die Folgen für ihre Befolgung oder Verletzung können ge-Recht-fertigt (durch uns gemacht, hergestellt) werden. Wir können sie nur beobachten und uns auf sie einstellen.
Ich verstehe, dass Dir das möglicherweise als Erklärung nicht genügt. Da Du “die richtigen Fragen stellst”, vertraue ich darauf, dass Du den Inhalt der weiterführenden Episoden im Zusammenhang mit Deiner eigenen Lebenserfahrung nutzen kannst, um das Naturrecht zu durchdringen. Wenn es hierzu Klärungsbedarf gibt, lass es mich wissen.
Und lies gern einmal das erste Kapitel von “Auroville und das Naturrecht” (im Downloadbereich), um eine kurze Einführung zu bekommen.
Ich wünsche Dir viel Erfolg mit dem Studium der Hermetik.
Jürgen