„Ohne Freiheit können wir nicht glücklich sein.“ – John Dickinson
Wir kennen Benjamin Franklin, George Washington und Thomas Paine, neben einer Reihe anderer, als Gründerväter der Vereinigten Staaten. Wer aber hat hierzulande von John Dickinson (1732–1808) gehört? Ich selbst bis vor kurzem überhaupt nicht. Dabei war er einer der politisch aktivsten Menschen in den amerikanischen Kolonien der englischen Krone und ein früher Verfechter von Grundrechten. Als Rechtsanwalt, Landbesitzer und einer der wohlhabendsten Einwohner hatte er großen Einfluss auf die Argumente und sprachliche Ausdrucksweise etlicher wichtiger Dokumente der Revolution.
Seine offenen Briefe („Letters from a Farmer in Pennsylvania“, 1767-68) machten ihn zu einem der meistgelesenen und weltweit am besten bekannten Amerikaner im späten 18. Jahrhundert. Die zwölfteilige Briefserie debattiert zunächst die Folgen der Entmachtung zweier kolonialer Parlamente durch die Krone, nachdem sie sich geweigert hatten, kleinere Teilmengen der Provisionierungen für die britischen Truppen zu genehmigen. Er schreibt:
„Wenn ihnen [den Kolonialparlamenten] in einem solchen Fall das Privileg der Gesetzgebung rechtmäßig entzogen werden kann, warum kann ihnen dann nicht mit gleichem Recht jedes andere Privileg entzogen werden?“ (I)
Niemand aber dürfe nach englischem Recht besteuert werden, der nicht selbst oder durch seine Vertretung zugestimmt habe. Manche Amerikaner jedoch hätten nun keine solche Vertretung mehr, und er sieht voraus:
„Wenn das [englische] Parlament New York rechtmäßig eines seiner Rechte entziehen kann, kann es auch allen anderen Kolonien ihre Rechte entziehen.“ (I)
John Dickinson warnte, dass solche Präzendenzfälle nicht unprotestiert bleiben dürften, da sie sonst zur Regel würden. Das gelte insbesondere für die Art, wie nun Steuern des britischen Parlaments auf Papier und Glas erhoben würden, die ausdrücklich zur Generierung von Einkommen („revenue“) gedacht waren, aber mit den Ausgaben für die britischen Truppen in Nordamerika im Krieg gegen Frankreich begründet wurden. Dickinson argumentierte, dass dies nicht nur beispiellos und aufgrund einer Reihe rechtlicher und praktischer Faktoren strukturell ungerecht gewesen sei:
„Wenn das britische Parlament die rechtliche Befugnis hat, zu verlangen, dass wir einen einzigen Artikel für die hier stationierten Truppen liefern, und die Befolgung dieser Anordnung zu erzwingen, dann hat es auch das Recht, … uns jede beliebige Last aufzuerlegen.“ (I)
„Die einzige Frage ist, ob das Parlament rechtmäßig den Menschen dieser Kolonien Abgaben auferlegen kann, die ausschließlich zum Zweck der Einnahmenerzielung erhoben werden, und zwar auf Waren, die wir ausschließlich von ihm beziehen müssen; oder, mit anderen Worten, ob das Parlament rechtmäßig Geld aus unseren Taschen nehmen kann, ohne unsere Zustimmung einzuholen. Wenn ja, dann ist unsere viel gepriesene Freiheit nur ein leeres Wort und nichts weiter.“ (II)
In der Tat war das, was man damals Freiheit nannte, hohl, war es schon immer und ist es noch heute – auch im postrevolutionären Amerika, auch im gesamten Rest der Welt. Trotzdem veröffentlicht Dickinson mit dem zwölften und letzten Brief einen Satz von zentraler Wichtigkeit, der, wäre er zu Ende gedacht und gelebt worden, statt der Vereinigten Staaten ein echtes Land der Freiheit hervorgebracht hätte:
„Lasst uns diese Wahrheiten unauslöschlich in unser Gedächtnis einprägen: dass wir ohne Freiheit nicht glücklich sein können, dass wir ohne Sicherheit unseres Eigentums nicht frei sein können, dass wir keine Sicherheit unseres Eigentums haben können, wenn andere es uns ohne unsere Zustimmung wie von Rechts wegen wegnehmen können.“ (XII)
In diesem Sinne rief Dickinson die Kolonisten auf, gegen die Londoner Willkür einig und entschlossen vorzugehen, eine Forderung, die er häufig wiederholt, denn:
„Spaltung und damit Zerstörung ist die oberste politische Maxime beim Angriff auf diejenigen, die durch ihre Vereinigung mächtig sind.“ (I)
Neben dem ordinären ‚Teile und Herrsche‘, analysierte Dickinson ganz richtig, wendeten die Tyrannen zwei weitere Tricks an, um ihre Gegner zu schwächen: Scheinrecht und Scheinfreiheit:
„Die Liebe zur Freiheit ist dem menschlichen Herzen so natürlich, dass gefühllose Tyrannen sich verpflichtet sehen, ihre Pläne so weit wie möglich dem Anschein von Gerechtigkeit und Vernunft anzupassen und diejenigen, die sie vernichten oder unterdrücken wollen, zu täuschen, indem sie ihnen ein erbärmliches [Trug-] Bild von Freiheit präsentieren, während das unschätzbare Original verloren gegangen ist.“ (VII)
Doch John Dickinson selbst ist es, der wie viele andere Menschen ein falsches Bild von Freiheit hat. Er schreibt:
„Denn wer sind freie Menschen? Nicht diejenigen, über die eine Regierung vernünftig und gerecht herrscht, sondern diejenigen, die unter einer Regierung leben, die durch die Verfassung so kontrolliert und begrenzt wird, dass angemessene Vorkehrungen getroffen sind, damit sie nicht anders herrscht.“ (VII)
Dickinson, der zwar John Locke studiert hatte, sich aber als Rechtsgelehrter und -historiker eher an Tacitus, Cicero und Aristoteles orientierte, welche ihren Etatismus mit Naturrecht zu rechtfertigen versucht hatten, glaubte an den Rechtsstaat, an Minarchie und an sogenannte ‚Freiheiten‘, die von der herrschenden Macht als Privilegien gewährt werden. Die Notwendigkeit von Herrschaft stellt er nie infrage, auch nicht nach der Revolution. Immer wieder übernahm er auch selbst leitende Posten in Vertretungen, Komitees und Regierungen. Er begründet das folgendermaßen:
„Die drei wichtigsten Aufgaben, die unsere Versammlungen oder andere gesetzgebende Körperschaften erfüllen können, sind erstens die Verteidigung der Gesellschaft, zweitens die Rechtspflege und drittens die Aufrechterhaltung der Zivilregierung.“ (IX)
Sein Vertrauen in die Legitimität von Herrschaft generell, insbesondere aber der englischen Krone und des Königreichs kommt in allen seinen Briefen deutlichst zum Ausdruck:
„Wenn Gesetze verabschiedet werden, die diesen Kolonien schaden, können wir nicht einmal im Entferntesten annehmen, dass Seine Majestät oder die Lords uns damit Schaden zufügen wollten.“ (VII)
Dickinson empfiehlt:
„Verhalten wir uns wie pflichtbewusste Kinder, die von einem geliebten Elternteil unverdiente Schläge erhalten haben.“ (III)
„Beamte, die im Dienste der Krone stehen, haben, solange sie sich gemäß den Gesetzen verhalten, Anspruch auf rechtmäßigen Gehorsam und aufrichtigen Respekt. Es ist eine Pflicht, ihnen dies zu gewähren, und kein guter oder kluger Mensch wird dies verweigern.“ (XII)
Er bewahrte diese Haltung bis zu seiner Weigerung zehn Jahre später, die Unabhängigkeitserklärung zu unterschreiben. Schuld an der Ungerechtigkeit seien nur einzelne selbstsüchtige Minister wie Lord Chatham und gewisse Parteien im Unterhaus, und denen müsse im Interesse sowohl des amerikanischen Volkes als auch der englischen Krone ein Riegel vorgelegt werden:
„Wenn sie das Recht haben, uns einen Penny Steuern aufzuerlegen, haben sie auch das Recht, uns eine Million aufzuerlegen. Denn wo hört ihr Recht auf?… Der Versuch, ihr Recht einzuschränken, nachdem man es überhaupt erst gewährt hat, widerspricht ebenso der Vernunft wie die Gewährung dieses Rechts der Gerechtigkeit widerspricht… Welches Eigentum haben wir an etwas, das ein Anderer uns rechtmäßig nehmen kann, wenn es ihm gefällt? … Wer gegen seinen ausdrücklichen Willen besteuert wird, ist ein Sklave.“ (VII)
Dickinson stellt genau die richtigen Fragen. Anders als jeder Anarchist kann er jedoch nicht sehen, dass die Macht selbst die Wurzel des Übels darstellt, nicht das Ausmaß ihrer Willkür. Dass Macht oft um ihrer selbst Willen ausgeübt wird, bestreitet er nicht; rechtens werde sie eben nur aufgrund von legaler Begrenzung, und wenn sie diese überschreite, sei es legitim, dass ihr Widerstand geleistet werde:
„Millionen Menschen hegen die Vorstellung, dass die Rechtmäßigkeit der Macht allein auf ihrer Ausübung beruhe. Sie mästen freiwillig ihre Ketten, indem sie die kleinmütige Meinung vertreten, dass es zu gefährlich wäre, Abhilfe zu schaffen, oder eine andere, nicht weniger fatale Meinung, dass die Regierung das Recht habe, sie so zu behandeln, wie sie es tut. Dann suchen sie einen armseligen Trost für ihren Geist, indem sie sich einreden, dass sie ihre Pflicht erfüllen, wenn sie Gehorsam leisten. Die beklagenswerte Armut des Geistes, die alle Würde, die die göttliche Vorsehung unserer Natur verliehen hat, zunichte macht, hat natürlich Erfolg.“ (XI)
Besonders in der zweiten Hälfte seiner Briefserie wird Dicksons Ton hörbar schärfer, die Argumente zunehmend deutlicher. Selbst gewaltsame Methoden sieht er unter Umständen als zulässig, wenn auch mit hohen Hürden. Er wendet sich aber ausdrücklich gegen Sezession, von der er glaubt, sie werde für beide Seiten Nachteile haben. Seine Briefe trafen, so scheint es, genau den richtigen Ton, denn nicht nur fanden sie weite Verbreitung und Zustimmung, sie definierten gleich zu Beginn der Auseinandersetzungen zwischen Mutterland und Kolonien sowie zwischen Krone und Volk das Spannungsfeld nachhaltig. Wohl gab es viele, die aus Trägheit oder Interesse den Status Quo zu erhalten wünschten, und auch andere, die radikalere Töne anschlugen, aber Dickinsons Versuch eines friedlichen Interessenausgleichs blieb bis zum offiziellen Bruch der eingeschlagene Pfad.
John Dickinson gehörte zu den führenden Mitgliedern der beiden Kontinentalkongresse 1774 und 1775 und bestimmte so die Marschrichtung mit. Er war Mitverfasser der meisten Petitionen an König Georg von England und sein Parlament. Die „Declaration of Rights and Grievances“ (Erklärung der Rechte und Beschwerden, 1765) sollte König Georg III. auf die Ungerechtigkeiten hinweisen, die seine Besteuerung der kolonialen Wirtschaft für die Siedler bedeuteten. Sie fühlten sich als Bürger zweiter Klasse, da sie keine politische Vertretung im englischen Parlament hatten, mit der sie auf solche Regulierungen Einfluss hätten nehmen können. Die Kurzformel lautete: „No taxation without representation“ – Keine Besteuerung ohne Vertretung. Das Dokument brachte die Haltung zum Ausdruck, dem König stünde die eingeforderte Steuer nicht zu. Solche wurden als „äußerst belastend und schwerwiegend“ erachtet und wegen „Knappheit an Bargeld [sei] ihre Zahlung absolut undurchführbar.“ Wohlgemerkt handelte es sich um Stempeltaxe in Höhe von lediglich 3-4%! Überdies war es zu juristischen Ungleichbehandlungen gekommen, bei denen Siedlern Freiheiten und Anhörungsrechte vorenthalten und stattdessen Admiralitätsrecht angewendet worden war. Sie bestanden nun – höflichst und untertänigst – auf der Einhaltung des Geschworenenprozesses und der Rücknahme der Stempelgesetze.
König Georg III., der 1763 den Siebenjährigen Krieg gegen Frankreich unter hoher Schuldenaufnahme gewonnen hatte, beabsichtigte jedoch nicht, auf die Einnahmen aus den Kolonien zu verzichten. Statt, wie ebenfalls in der Deklaration gefordert, die Armee, die in Nordamerika gegen die Franzosen gekämpft hatte und den Siedlern auf der Tasche lag, abzuziehen, erließ der König weitere Steuergesetze. Seine Beamten und Offiziere setzten diese mit brutalen, willkürlichen Mitteln durch. Mehrere konziĺiatorische Annäherungsversuche der Siedler scheiterten. Es kam zu Ausschreitungen und bewaffneten Übergriffen, darunter die Boston Tea Party (1773), bei der drei Schiffsladungen steuerpflichtigen Tees durch Kolonisten vernichtet wurden.
In der Petition von 1774 erhielt Georg die subtile Warnung, dass der Schöpfer die Menschen frei und ihrer Freiheit bewusst geschaffen habe und der König von England seine Krone dem Schutz dieser Freiheit allein verdanke. Den Amerikanern stünden Freiheit, Frieden und Sicherheit genauso zu wie allen anderen, und dass, wenn diese weiterhin verletzt würden, es zu einer Katastrophe käme, die niemand wollen könne. Selbst wenn der König militärisch gewinne, werde der Schaden jeden Nutzen übersteigen.
Doch Georg III. las ihre Briefe nicht einmal. Die Siedler bildeten eine provisorische Regierung. Bewaffnete Auseinandersetzungen mehrten sich. Im April 1775 kam es zu ersten Schlachten bei Lexington und Concord, nach denen sich die Engländer verlustreich zurückziehen mussten. Dickinson warnte davor, ausschließlich auf Konfrontation zu setzen. Er hoffte, dass der Sieg der amerikanischen Milizen den König zu Verhandlungen bewegen würde. Eine letzte, die von ihm mitverfasste sogenannte „Palmzweigpetition“ (5.7.1775), bot die Rückkehr zur Situation vor der Steuererhebung als Friedenslösung an. Gleichzeitig akzeptierte der Kontinentalkongress die von Jefferson entworfene und von Dickinson finalisierte „Erklärung der Gründe und der Notwendigkeit, die Waffen zu ergreifen“ („Declaration on the Causes and Necessity of Taking up Arms“, 6.7.1775). Darin wurde erläutert, dass die Weigerung des Königs, eine friedliche Lösung mit den Kolonisten zu erreichen und ihre Rechte wieder herzustellen, Maßnahmen zur Selbstverteidigung notwendig gemacht habe. Die Kolonisten betonten ihre Treue zur britischen Krone, aber auch ihre Rechte als englische Bürger. Der Tonfall war bestimmt, ließ die Tür zur Versöhnung aber offen.
Doch noch während die Palmzweigpetition zu ihrem Empfänger unterwegs war, eskalierte die Situation. Ein privater Brief des Delegierten und späteren US-Präsidenten John Adams, in dem dieser die Petition als Zeitverschwendung erachtete, den Krieg mit den Briten für unvermeidlich hielt und meinte, die Kolonisten hätten eigentlich schon längst Maßnahmen ergreifen sollen, wurde abgefangen und kam nur Tage vor dem offiziellen Schreiben in London an. Georg III. bezichtigte die Widerständler nun der offenen Rebellion und wollte sie militärisch mit aller Macht unterdrücken lassen. Mangels einer anderen Wahl trieben die Kolonien auf die Sezession vom Mutterland zu, welche am 4. Juli 1776 offiziell vollzogen wurde.
1776-1808
Dickinsons Denken war geprägt von antiken Etatisten, die die Erkenntnis natürlicher Gerechtigkeit nie zu ihrem logischen Ende gedacht hatten. Obwohl Dickinson auch John Lockes Argumente überzeugend fand, blieb er ein moderner Libertärer: nicht Fisch, nicht Fleisch.
Zu seiner Ehrenrettung muss man sagen: Er sah die politische Trennung von England als notwendig und unausweichlich, weigerte sich jedoch, die Unabhängigkeitserklärung 1776 zu unterzeichnen, da er die Zeit für noch nicht gekommen hielt. Den Kolonien mangele es an Einigkeit und militärischer Stärke. Trotz starken emotionalen Gegenwinds blieb er seinen Prinzipien treu und riskierte seine Reputation bei den Aufständischen. Diese entschieden sich bekanntermaßen gegen weitere Verhandlungen, und so geriet sein Name irgendwann in Vergessenheit. Dickinson gehörte allerdings zu den ersten, die zu den Waffen griffen, und er war der erste und einer von nur wenigen Gründervätern, der alle seine Sklaven in die Freiheit entließ. Zu der Zeit machten die Briten gezielt Jagd auf ihn, da sie ihn für den „Herrscher von Amerika“ hielten, berichtet der spätere Präsident John Adams.
1777 beteiligte Dickinson sich an den „Articles of Confederation“ (ratifiziert als provisorische erste US-Verfassung 1781) und 1787 am Entwurf und der Unterzeichnung der US-Konstitution, wobei er dafür eintrat, die Macht der Regierung eng und streng zu definieren, und die Kontrolle über sie in die Hände des Volks zu legen. Er sah Frauen als geistig ebenbürtig. In seinen Entwürfen bevorzugte er geschlechtsneutrale Wortwahl gegenüber dem damals üblichen Bezug auf „Männer“ (man/men) allein. In den 1780er Jahren wählte man ihn zum Präsidenten von Pennsylvanien und Delaware, bevor er sich, gesundheitlich angeschlagen, aus der Politik zurückzog. Er starb 1808 im Alter von 75 Jahren.
Historische Lehren
Strukturell wiederholt sich Geschichte andauernd. Auch diese Auseinandersetzung ist ein typisches Lehrstück, das die wahre Natur von Regierungen zeigt und die Notwendigkeit, der Fremdbestimmung klare Grenzen zu setzen.
Der Herrscher hatte nicht vor, die verbrieften Rechte seiner Untertanen anzuerkennen. Er war lediglich an der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft interessiert. Das Wohlergehen der Menschen war ihm völlig gleich. Als er hätte verhandeln können, ließ er Waffen sprechen.
Wer seinen Unterdrücker darum bittet, das Unterdrücken doch ein wenig freundlicher zu gestalten, wird als Schwächling erkannt und noch mehr ausgesaugt. Die Siedler erzielten durch Versprechen ihrer Treue im Gegenzug für ihre Rechte nur Verachtung. Und solche verdienten sie auch. Sie hatten die ewigen Prinzipien des Universums noch nicht genügend durchdrungen. Dank des steigenden Leidensdrucks lernten sie immerhin, dass Freiheit erkämpft wird, nicht gewährt, aber es kam nur wenigen in den Sinn, dass das Übel der Sklaverei aus der Vorstellung resultiert, dass manche berechtigt seien, über andere zu bestimmen. Und so erachteten sie sich als „Delegierte“ und „Repräsentanten“, damit beauftragt, das Schicksal ganzer Städte und Völker zu lenken und ihnen nach dem Sturz der alten Tyrannei eine neue, vorläufig freundlichere überzustülpen, die jedoch innerhalb weniger Dekaden noch zehnmal schlimmer entartete.
Vielleicht aber war gerade dies das Ziel der Auseinandersetzungen. Denn die Wortführer der Revolution waren bekanntermaßen Freimaurer. Sie wussten aufgrund ihrer okkulten Schulung ganz genau, wie dialektische Muster genutzt werden können, um politische Ziele zu erreichen. Plante man möglicherweise die Abspaltung von England und die Gründung einer Republik von Beginn an fest ein? Waren die konzilianten Bekenntnisse zur Monarchie nur billige Rhetorik, um auch die Zögerlichen mit an Bord zu holen, wohl wissend, dass sich der König niemals darauf einlassen würde?
Dass in der Rückschau, mit Kenntnis der weiteren Geschichte, vieles dafür spricht, heißt natürlich nicht, dass es sich auch so verhielt. Ich halte es für wahrscheinlich, dass wir es mit einer gemischten Interessenlage zu tun haben, bei der manche das Naturrecht so tief verstanden, dass sie einen herrschaftsfreien Zustand anstrebten, für diesen aber keine Zustimmung fanden; bei der andere das Naturrecht gut genug verstanden, um ihre eigene Freiheit zu fordern, nicht aber die Freiheit aller Menschen; bei der wieder andere nur behaupteten, auf der Seite der Freiheit zu stehen, während sie die Revolution aufs falsche Gleis lenkten; und bei der schließlich viele sich mangels genügender Kenntnisse wie die Geiß am Gängelband dahin führen ließen, wo der politische Wille einiger Weniger sie drängte.
Angesichts der schnellen Expansion des Staatsgebiets, der nahezu ununterbrochenen Kriege bis zum heutigen Tag und schließlich des Aufstiegs zur alleinigen Weltmacht mit Anspruch auf allumfassende Dominanz darf aber gefragt werden, inwieweit die amerikanischen Freimaurer insgesamt tatsächlich ihren Idealen folgten oder ob sie für eine dunklere Macht arbeiteten. Denn im Jahr der Unabhängigkeitserklärung gründeten sich auch die Illuminati, die sofort systematisch damit begannen, Freimaurerlogen zu unterwandern, um sie für ihre Ziele zu kapern – Ziele, die seither vom anglo-amerikanischen Establishment schrittweise verwirklicht werden: Die Abschaffung der Monarchie, der Religion, der Familie und des Eigentums (s. Ep. 88 & 90).
Sollte die Haltung der meisten US-Gründerväter aufrichtig gewesen sein, haben sie eine Reihe schwerer Fehler begangen:
Erstens beendeten sie nicht die Sklaverei. Obwohl ein beträchtlicher Teil der Gründerväter sehr wohl verstand, dass Sklaverei die Ideale der Revolution verletzte, insistierten sie nicht auf diesem Punkt, nur um die Unterstützung der Plantagenbesitzer zu bekommen. Letzteren ging es lediglich um ihre eigene Freiheit, vor allem aber um Einkünfte aus billiger Arbeitskraft. Und so gewannen die amerikanischen Kolonisten zwar den Krieg gegen England, verloren aber den Kampf um die Freiheit, denn ohne Moralität ist solche nicht möglich. Mit der karmischen Last kämpfen die USA bis heute, siehe „Black Lives Matter“, und mit ihnen die ganze Welt, die unter den amerikanischen Weltmachtansprüchen leidet.
Zweitens war die Gründung der Staaten ein großer Fehler. Obwohl die Prinzipien der Freiheit wohlbekannt waren – sie sind für jeden deutlich sichtbar in der US-Verfassung festgehalten –, ersetzte man die Tyrannei des englischen Königs und Parlaments durch eine des amerikanischen Präsidenten und Parlaments. Dass der Staat selbst eine Sklavenplantage darstellt, war Gründervätern wie Thomas Paine, Ethan Allen oder Josiah Warren durchaus klar. Doch die Furcht vor einem gesetzlosen inneren Zustand sowie fremdstaatlicher Gewalt stand Pate bei der Etablierung einer eigenen staatlichen Gewalt als Gegengewicht. Statt die Eigenverantwortlichkeit des Individuums zu fördern wurde sie der staatlichen Dominanz geopfert.
Den dritten schweren Fehler begingen die Amerikaner mit der fortgesetzt feindlichen Haltung gegenüber den Ureinwohnern sowie dem Anspruch auf deren Land. Durch Landnahme und Völkermord verrieten sie die Werte der Aufklärung, die ironischerweise wesentlich auch aus dem Kontakt der ersten Siedler mit den Indianern stammten. Der aggressive Expansionsdrang hat bis heute nicht nachgelassen. Er äußert sich in Übernutzung des Landes, nachhaltig schwerer Umweltzerstörung oder dem Anspruch auf Einfluss in Nachbarländern wie Kanada, Grönland, Kuba und ganz Lateinamerika, die als „Hinterhof“ betrachtet werden.
Viertens – das ist wohl der schlimmste Fehler von allen – blieb das okkulte Wissen weiterhin verborgen. Es wurde nicht gelehrt, nicht verbreitet, nicht zum Gemeinwissen gemacht. Die Prinzipien, die Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit schaffen, sind im Grunde und buchstäblich trivial – und sie verunmöglichen das Ausüben autoritärer Gewalt. Selbstverständlich würde eine Staatsmacht, die weiterbestehen wollte, wahre Freiheit und Moralität also weder praktizieren noch zulassen; ganz bestimmt nicht lehren. Stattdessen wurden diese Begriffe durch inflationären Gebrauch in völlig entgegengerichteten Zusammenhängen so ausgehöhlt, dass sie zu leeren Worthülsen verkommen sind.
Fünftens erlaubten die Amerikaner den Unterstützern des Königs, weiterhin im Land zu bleiben und gegen die Unabhängigkeit zu agitieren. Die Siedler waren deren perfiden Umtrieben mangels moralischer Bildung hilflos ausgeliefert und wurden durch ihre eigene Regierung und Großindustrie de facto wieder ins britische Weltsystem eingegliedert (s. Ep.88). Wenn man frei bleiben will, darf man mit Ignoranten und Verbrechern keine Geschäfte machen.
Als Moment der Befreiung kann die Amerikanische Revolution als eine großartige Leistung gelten, die zweifellos die Welthistorie ideengeschichtlich und geopolitisch stark beeinflusst hat, aber als „Land der Freiheit“ haben die ehemaligen englischen Kolonien nie existiert. Schon die beiden Kontinentalkongresse stellten im Vorlauf zur offiziellen Unabhängigkeit eine provisorische nationale Regierung von Abgeordneten aus den Einzelparlamenten dar. Es gab keine direkte Volkswahl der Delegierten auf nationaler Ebene. Wahlberechtigt waren ohnehin nur 10-15% der Amerikaner: weiße Männer über 21 mit Grundbesitz. Frauen, Schwarze, Indianer und landlose Männer waren ausgeschlossen. Von „We the People“ (Wir, das Volk) war also nur auf dem Papier die Rede.
War es Vorsatz oder bloße Unfähigkeit, den Gedanken der Freiheit bis zu seinem logischen Ende zu denken? Wie so oft war wohl beides im Spiel: Vorsatz bei einigen, Blindheit bei vielen und Feigheit vor der letzten Wahrheit bei fast allen. Jedenfalls stellte die Revolution unter dem Aspekt der Freiheit von Beginn an einen Schuss in den Ofen dar, so wie alle Revolutionen der Weltgeschichte. Bei jeder einzelnen von ihnen finden sich Hinweise, dass sie von einem Teil des jeweiligen Establishments ausgelöst, durchgeführt und gewonnen wurde, welches hernach die Macht übernahm. Stets lässt sich ideologisch bzw. personell eine Verbindung zu Geheimbünden oder -diensten nachweisen, von der Glorreichen Revolution in England 1688-89 über die französische, 1848er, italienische, russische und chinesische Revolution bis hin zur DDR 1989 und Tunesien 2011. Keine Revolution hat je zu Freiheit geführt, denn jede resultierte in einer neuen Regierung.
Den führenden Schichten der Geheimbünde sind die Gesetzmäßigkeiten der Natur, der menschlichen Seele, der sozialen Dynamik und insbesondere der Freiheit bestens bekannt, aber sie benutzen sie stets nur zu ihren eigenen Gunsten. Indem sie die Verbreitung esoterischen Wissens behindern, erschaffen sie das Wissensgefälle, aus dem Ihre Macht über Menschen resultiert. Das globale System der Okkultokratie kann nur auf einem einzigen Weg beendet werden: durch die Inthronisierung des Gewissens im Individuum auf dem Wege moralischer Bildung. Nur ein einziges Gesetz darf für Dich gelten: die Goldene Regel.
Und wenn Du bis hierhin gelesen hast, wirst Du mir womöglich uneingeschränkt zustimmen. Was aber, wenn ich darauf hinweise, dass Du nicht öffentlich über Moralität als Grundlage von Frieden, Gerechtigkeit und Freiheit in der Welt sprichst? Was, wenn ich Dich frage, weshalb Du selbst nicht so lebst? Dass Du immer noch Deinen unmoralischen Job bei der Polizei, bei Gericht, im Bürgerbüro, in der Bank, beim Kommiss, in traditionellen Medien, in der Kirche, der Schule oder im Krankenhaus ausführst? Was, wenn ich mich wundere, dass Du immer noch glaubst, Du hättest Anspruch auf Sozialleistungen, Rente, Versicherungsprämien, asphaltierte Straßen, staatlichen Schutz vor Verbrechen oder sonst irgendetwas, das man Dir geben müsste?
Wirst Du Dich dann recht-fertigen? Bekomme ich eine kommentarlose Kündigung + gesenkten Daumen?
Die allermeisten Leute, denen ich in meinem Leben begegnet bin, sind nicht willens, sich selbst zu hinterfragen. Sie weigern sich, eine ganz einfache, direkte Aussage wie „Behandle andere, wie Du selbst behandelt werden möchtest“ bis zu ihrem logischen Ende zu denken und in ihrem eigenen Leben anzuwenden. Sie scheinen nicht sehen zu können, inwiefern eine philosophische Erkenntnis sie betrifft und zum Handeln auffordert. Und das heißt, sie sind nicht integer. Sie sind ignorant. Sie fürchten sich vor dem, was geschieht, wenn sie konsequent leben. Und dann rechtfertigen sie den Schaden, den sie in vorsätzlicher Blindheit permanent anrichten.
Ich selbst war so. Ich war feig, apathisch und faul, und darum brauchte ich unendlich lange, bis ich es begriff. Und ich begriff, als ich anfing, mich selbst inwendig kennenzulernen und an mir zu arbeiten. Ich begriff, dass ich selbst die Ursache meiner Unzufriedenheit und meines Leids war, und dass ich die Welt selbst so schlecht gestaltete, wie ich sie sah. Es gibt nur einen wirksamen Ausweg: Aufhören, Schaden anzurichten! Erst dann beginnen sich die Dinge in eine positive Richtung zu verändern.
Es ist möglich und Du kannst das, wenn Du nur willst. Und wenn man das nicht hinbekommt, dann sollte man wenigstens so ehrlich sein, sich Faulheit, Feigheit und Apathie einzugestehen, denn mit dem Eingeständnis von Fehlern fängt jede Besserung an.
Literatur
- Letters from a farmer in Pennsylvania, to the inhabitants of the British Colonies / John Dickinson, 1767-68
- Declaration of Rights and Grievances (1765)
- Petition to the King (1774)
- Olive Branch Petition (1775)
- Declaration on the Causes and Necessity of Taking up Arms (1775)
- Articles of Confederation (1777)
- Most Underrated & Ignored Founder: John Dickinson, Penman of the Revolution (video)
