Ein erfolgreicher Unternehmer geht durch die Straßen einer indischen Stadt, wo er einem in Lumpen gekleideten Sadhu begegnet. Der Unternehmer gibt dem Mann einige Rupien und äußert sich mitleidig über die ärmlichen Verhältnisse, in denen jener lebt. Der Weise schaut ihn amüsiert an, ohne zu antworten. Der Unternehmer offeriert ihm eine Arbeit als Gärtner in seiner Firma, doch der Lumpenträger grinst nur. Als der Unternehmer ihm von den Vorteilen finanziellen Wohlstands und sozialen Aufstiegs zu erzählen beginnt, bricht der Weise in lautes Lachen aus. Er schüttelt dem verdutzten Unternehmer die Hände und ruft: “Unglaublich, wie täuschend echt Sie diese Rolle spielen! Fast hätten Sie mich überzeugt, dass Sie tatsächlich daran glauben!”
Die meisten Menschen in der Industriezivilisation sind Materialisten. Sie streiten die Existenz eines nicht-materiellen Bereichs des Seins ab. Daher identifizieren sie sich mit ihrem Körper, den Inhalten ihres Gehirns, ihrer Arbeit, ihrem „Wissen“, ihrer Überzeugung, ihrer Nationalität, ihrem sozialen Status usw. Doch unser wahres Selbst ist der Spirit, der uns mit dem Universum vereint. Er ist die einzige Instanz, die von „meinem Körper, meinem Geist“ sprechen kann. Das Ego – die Theaterrolle, mit der sich so mancher verwechselt – ist nichts als ein Chauffeur dieses Körpers. Diese Verwechslungskomödie spiegelt sich u.a. in unserer Sprache. Wer ist dieses Selbst, von dem ich sage, dass ich es liebe, verwirkliche, wahrnehme, verbessere, kenne oder mir seiner bewusst sei? Meine ich das Ego oder den Spirit?
Ein Essay über menschliches Bewusstsein, Identität, Identifikation und das Falschwörterbuch.
(Den dunklen und den hellen Zwilling nehmen wir entgegen der Ankündigung im Vorspann ein andermal durch.)