„Jede Ursache hat ihre Wirkung; jede Wirkung hat ihre Ursache; alles geschieht gemäß dem Gesetz; Zufall ist nur ein Name für ein nicht erkanntes Gesetz; es gibt viele Ebenen der Verursachung, aber nichts entgeht dem Gesetz.“
– Das Kybalion
Die drei Eingeweihten schreiben:
Das große sechste hermetische Prinzip – das Prinzip von Ursache und Wirkung – enthält die Wahrheit, dass Gesetz [Regelmäßiigkeit] das Universum durchdringt; dass nichts durch Zufall geschieht; dass Zufall nur ein Ausdruck ist, der eine Ursache anzeigt, die wohl existiert, aber noch nicht erkannt oder noch nicht bemerkt wurde; dass die Phänomene kontinuierlich, ohne Unterbrechung und ohne Ausnahme sind.
Das Prinzip von Ursache und Wirkung liegt allem wissenschaftlichen Denken – alt und modern – zugrunde, und wurde von den hermetischen Lehrern in den frühesten Tagen ausgesprochen.
Seit dieser Zeit haben sich viele und verschiedenartige Dispute zwischen den zahlreichen Denkerschulen erhoben. Diese Dispute behandeln hauptsächlich die Details der Wirksamkeit dieses Prinzips und am häufigsten die Bedeutung gewisser Wörter. Das zugrunde liegende Prinzip von Ursache und Wirkung ist praktisch von allen Denkern der Welt , die diesen Namen verdienen, als richtig angenommen worden. Anders zu denken, würde bedeuten, die Phänomene des Universums aus dem Reich von Gesetz und Ordnung zu nehmen und sie der Herrschaft eines imaginären Etwas auszuliefern, das die Menschen „Zufall“ genannt haben.
… Eine kurze Betrachtung wird aber zeigen, dass es kein solches Agens wie Zufall – im Sinne von etwas außerhalb des Gesetzes, von etwas außerhalb von Ursache und Wirkung – geben kann. Wie könnte es ein Etwas geben, das unabhängig von Gesetzen, Ordnung und Zusammenhang im phänomenalen Universum wirkte? Ein solches Etwas wäre gänzlich unabhängig von der geordneten Richtung des Universums und deshalb über demselben stehend…
Es ist kein Raum im Universum für ein Etwas außerhalb des Gesetzes und unabhängig vom Gesetz. Die Existenz eines solchen Etwas würde alle Naturgesetze unwirksam machen und das Universum in chaotische Unordnung und Gesetzlosigkeit stürzen.
Eine sorgfältige Untersuchung wird zeigen, dass das, was wir „Zufall“ nennen, nur ein Ausdruck ist, der sich auf verborgene Ursachen bezieht; auf Ursachen, die wir nicht wahrnehmen können, auf Ursachen, die wir nicht verstehen können. …
In den Geistern mancher Personen entstand eine gewisse Verwirrung, wenn sie dieses Prinzip studierten, und zwar deshalb, weil sie sich nicht erklären konnten, wie ein Ding ein anderes Ding verursachen könne – d. h. ein Ding der Schöpfer eines anderen Dings sein kann. In der Tat, kein „Ding“ verursacht oder „schafft „je ein anderes „Ding“. Ursache und Wirkung gibt es nur bei „Ereignissen“. Ein „Ereignis“ ist das, was kommt oder geschieht als Ergebnis oder Folge eines vorangegangenen Ereignisses.
Kein Ereignis „schafft“ ein anderes Ereignis, es ist nur ein vorangehendes Glied in der großen Kette von Ereignissen, die aus der schöpferischen Energie des Alls flutete. Zwischen allen vorangehenden, folgenden und nachfolgenden Ereignissen besteht ein Zusammenhang. Zwischen allem, was vorhergegangen ist, und allem, was folgt, besteht eine Beziehung. …
Ebenso wie ein Mensch zwei Eltern, vier Großeltern, acht Urgroßeltern, sechzehn Ururgroßeltern hat und so fort bis … die Anzahl der Vorfahren in die Millionen geht, ebenso ist es auch mit der Anzahl der Ursachen, die selbst hinter dem unbedeutendsten Ereignis der Phänomene stehen. Wie beispielsweise das Vorüberfliegen eines kleinen Stäubchens Ruß vor euren Augen. Es wäre keine leichte Aufgabe, das Teilchen Ruß zurückzuverfolgen bis in die Frühperiode der Weltgeschichte, da es einen Teil eines starken Baumstammes bildete, welcher später in Kohle umgewandelt wurde, und so weiter, bis es als das Rußteilchen an eurem Blick vorüberfliegt, auf seinem Weg in neue Abenteuer. Und eine mächtige Kette von Ereignissen, Ursachen und Wirkungen brachte es zu seiner gegenwärtigen Beschaffenheit, und letztere ist nur eines aus der Kette von Ereignissen, welche nach Hunderten von Jahren andere Ereignisse hervorbringen werden.
Das Niederschreiben dieser Zeilen war eines der Ereignisse, die von dem Rußteilchen ihren Ausgang nahmen, was wieder den Schriftsetzer veranlasste, eine gewisse Arbeit zu vollbringen, ebenso den Leser der Korrekturbogen; es wird gewisse Gedanken in eurem Geist und in dem Geist anderer erwecken, diese Gedanken werden andere beeinflussen, und so weiter, und weiter, als die Geisteskräfte des Menschen die Wirkungen verfolgen können – und dies alles kommt daher, dass ein kleines Rußteilchen vor euren Augen vorbeigeflogen ist. Dies alles zeigt die Relativität und die Assoziationen der Dinge und auch die Tatsache, dass „es im Geist, der alles verursacht, nichts Großes und nichts Kleines gibt.“
… Jeder Gedanke, den wir denken, jede Tat, die wir vollbringen, sie haben ihre direkten und indirekten Ergebnisse, welche in die große Kette von Ursache und Wirkung passen.
Aus verschiedenen Gründen wollen wir in diesem Werk die Frage „Freier Wille“ oder „Vorherbestimmung“ nicht erörtern. Unter vielen Gründen ist der Hauptgrund der, dass weder das eine noch das andere ganz richtig ist. Tatsächlich ist beides teilweise richtig, in Übereinstimmung mit den hermetischen Lehren.
Das Prinzip der Polarität zeigt uns, dass beide nur Halb-Wahrheiten sind, die entgegengesetzten Pole der Wahrheit. Die Lehren gehen dahin, dass ein Mann frei sein und doch durch Notwendigkeit gebunden sein kann, es hängt von der Bedeutung der Ausdrücke ab und von der Höhe der Wahrheit, von der aus die Angelegenheit betrachtet wird. Die alten Schriftstellen drücken dies so aus: „Je weiter die Schöpfung vom Mittelpunkt entfernt ist, desto mehr ist sie gebunden; je mehr sie sich dem Mittelpunkt nähert, desto freier ist sie.“
Die meisten Leute sind mehr oder weniger Sklaven der Vererbung, der Umgebung usw. und zeigen nur sehr wenig Freiheit. Sie werden von den Meinungen, Gewohnheiten und Gedanken der äußeren Welt und von ihren eigenen Gemütsbewegungen, Gefühlen, Stimmungen usw. gelenkt. Sie manifestieren keine Meisterschaft, die dieses Namens wirklich wert wäre. Sie weisen diese Behauptung unwillig zurück, indem sie sagen: „Ganz sicherlich bin ich frei, zu handeln und zu tun, was mir beliebt – ich tue gerade das, was ich zu tun wünsche.“ Dabei unterlassen sie es aber, uns zu erklären, woher dieses „Wünschen“ und dieses „Was mir beliebt“ kommt. Was lässt sie „wünschen“ ein Ding lieber zu tun als ein anderes? Was lässt sie „belieben“, dies zu tun und nicht das? Gibt es für ihr „Belieben“ und ihr „Wünschen“ kein „Weil“? Der Meister kann dieses „Belieben“ und „Wünschen“ in anderes, an dem entgegengesetzten Ende des mentalen Pols umwandeln. Er kann „wollen zu wollen“, statt nur zu wollen, weil irgendein Gefühl, eine Stimmung, eine Gefühlsbewegung oder eine Suggestion aus der Umgebung in ihm die Neigung oder den Wunsch hervorruft, so zu handeln.
Die meisten Leute lassen sich treiben, wie ein fallender Stein, gehorsam der Umgebung, äußerlichen Einflüssen und inneren Stimmungen, Wünschen usw., gar nicht zu reden von den Wünschen und dem Willen anderer, Stärkerer als sie selbst, von Vererbung, Umgebung, Suggestion; das alles treibt sie weiter, ohne dass sie Widerstand leisten oder ihren Willen üben. Sie werden herumgerückt wie Spielfiguren am Brettspiel des Lebens, spielen ihre Rolle und werden beiseite gelegt, wenn das Spiel vorbei ist. Die Meister aber kennen die Spielregeln; sie erheben sich über die Ebene des materiellen Lebens und setzen sich mit den höheren Mächten ihrer Natur in Verbindung. Sie beherrschen ihre eigenen Stimmungen, Charaktere, Eigenschaften, ihre Polarität ebenso gut wie ihre ganze Umgebung und werden so – statt Spielfiguren zu sein – Spieler im Brettspiel des Lebens, Ursachen statt Wirkungen. Die Meister entgehen der Kausalität der höheren Ebenen nicht, aber sie stimmen mit den höheren Gesetzen überein und beherrschen so die Bedingungen der niederen Ebene. Sie bilden dadurch einen Teil des Gesetzes, statt nur blinde Werkzeuge zu sein. Während sie auf den höheren Ebenen dienen, herrschen sie auf der materiellen Ebene.
Das Gesetz aber ist immer am Werke, auf den höheren wie auf den niederen Ebenen. Die blinde Göttin wurde von der Vernunft abgesetzt. Mit unseren Augen, die durch Wissen klar geworden sind, können wir nun sehen, dass alles durch das universale Gesetz beherrscht wird, dass die unendliche Zahl von Gesetzen nur Manifestationen des einen großen Gesetzes sind – des Gesetzes, welches das ALL ist. Es ist wirklich wahr, dass kein Sperling vom Dache fällt, ohne dass dies vom Geist des ALLs bemerkt würde – dass sogar die Haare auf unserem Haupte gezählt sind -, wie die Schriften sagen. Es gibt nichts außerhalb des Gesetzes; nichts geschieht im Gegensatz zum Gesetz. Aber fallt nicht in den Fehler, zu glauben, der Mensch sei ein blinder Automat – das wäre weit gefehlt. Die hermetischen Lehren gehen dahin, dass der Mensch das Gesetz anwenden kann, um die Gesetze zu überwältigen; dass das höhere immer die Oberhand über das niedere hat, bis der Mensch endlich seine Zuflucht im Gesetz selbst sucht und für die phänomenalen Gesetze nur ein verächtliches Lächeln übrig hat. Könnt ihr die innere Bedeutung dieser Lehre erfassen?
Die Textstellen des Corpus Hermeticum zur Kausalität haben mich mehr beeindruckt, als die zu jedem anderen Prinzip:
5 … Alle Taten, mein Kind, unterliegen der Vorherbestimmung und ohne jene geschieht nichts bei den Körperlichen. Weder Gutes noch Schlechtes geschieht zufällig.
11 … Alles Bewegende ist körperlos, alles Bewegte ist Körper.
– Corpus Hermeticum, XII: Hermes Trismegistos an Thoth: Über den allgemeinen Urgedanken, Verse 5 & 11, übers.v. Karl-Gottfried Eckart
2 Die (Vorsehung und Notwendigkeit) beherrschen die Ordnung der Göttlichen, die Fehler nicht machen wollen und nicht machen können. Überhaupt ist es unmöglich, dass das Göttliche irrt; von ihm her ergibt sich auch die Fehlerlosigkeit. Dagegen ist die Gerechtigkeit zum Beistand für die Menschen eingesetzt, die ja auf der Erde Fehler machen.
3 … Hauptsächlich geschieht es ihnen, dass sie ausgleiten, weil sie die Kraft nicht haben, Gott zu schauen. Insbesondere über sie herrscht die Gerechtigkeit. Dem Schicksal sind sie wegen der Wirkungen des Werdens unterworfen, der Gerechtigkeit wegen der Fehler im Leben.«
– Corpus Hermeticum, Stobaeus-Fragment VII Hermes, Vers 2f, übers.v. Karl-Gottfried Eckart
2 … Das Gute ist freier Wille; das Schlechte ist unfreier Wille … die gute Ordnung ist das Gesetz.
– Corpus Hermeticum, Stobaeus-Fragment XI, Vers 2, übers.v. Karl-Gottfried Eckart
40 … [Gott sprach zu den Seelen] ‚Aber nicht planlos oder willkürlich habe ich eure Veränderungen festgesetzt; sondern so, wie es eine zum Schlechteren gibt, wenn ihr etwas Unschickliches tut, so gibt es auch eine zum Besseren, wenn ihr etwas in Angriff nehmt, das eurer Herkunft würdig ist.,‘
– Corpus Hermeticum, Stobaeus-Fragment XXIII, Vers 40, übers.v. Karl-Gottfried Eckart
Zum Abschluss noch John Baines:
Was wir Zufall nennen, ist nur etwas, dessen Ursachen unbekannt bleiben. Es ist nicht möglich, dass etwas abseits und jenseits der Gesetze existiert, da diese Kraft unabhängig und dem Universum überlegen wäre. Wendet man das Gesetz des Rhythmus auf das Gesetz von Ursache und Wirkung an, könnte man sagen, dass die Größe einer Wirkung immer der Bedeutung der Ursache entspricht, die sie hervorgerufen hat. Wie wir bei der Erörterung des Prinzips der Polarität erklärt haben, gibt es zwei grundlegende Ebenen: die der Ursachen (höher) und die der Wirkungen (niedriger), und der Mensch ist sich in seinem täglichen Leben nur der letzteren bewusst. Wir leben in der Welt der Wirkungen, und nur der Hermetiker hat Kenntnis von den okkulten Ursachen der Ereignisse. Die bekannteste Erscheinungsform des Zufalls ist das, was die Hindus Karma nennen. … Karma versucht, die Beziehung zu erklären, die zwischen den Ereignissen, die einem Individuum gegenwärtig widerfahren, und seinen Handlungen in der Vergangenheit, entweder in diesem oder in einem früheren Leben, besteht. (181)
[Aber] das Leben ist wie ein riesiger Bildteppich, auf den die Geschichte Stich für Stich gewebt wird und auf dem alle Ereignisse miteinander verwoben sind. Dies ist der Schleier der Maya, der von gewöhnlichen Sterblichen nicht durchdrungen werden kann. Das Wirken von Karma ist einer der Gründe, warum wir behaupten, dass „alles geschrieben steht„, da die Gegenwart immer von unseren vergangenen Handlungen bestimmt wird. Jeder Mensch verfügt über eine bestimmte Anzahl von Ursachen, die während seines Lebens für eine gewisse Zeit in Schach gehalten werden und die das Schicksal des Einzelnen prägen, wenn sie sich in Wirkungen materialisieren. Nur der wirklich weise Mensch kann die Wirkungen unerwünschter Ursachen teilweise neutralisieren… der Mensch „bestraft sich selbst“ mit seinem eigenen Karma; (183)
— John Baines, The Stellar Man
Literatur:
- Das Kybalion / Die drei Eingeweihten
- Das Corpus Hermeticum, einschl. d. Fragmente d. Stobaeus / a.d.Griech.v. Karl-Gottfried Eckart
- The Stellar Man / John Baines