Episode 41: Das 7. hermetische Prinzip des Geschlechts (Genus, Zeugung, generatives Gesetz)

“Geschlecht ist in allem; alles hat seine maskulinen und femininen Prinzipien; Geschlecht manifestiert sich auf allen Ebenen.”

– Das Kybalion

„Mit Hilfe des Kybalion können wir alle okkulten Bücher von neuem durchgehen, das alte Licht Ägyptens wird viele dunkle Seiten und unklare Stellen erhellen. Wir sind nicht gekommen, um eine neue Philosophie darzulegen; wir wollen nur die Umrisse einer großen, weltalten Lehre geben, welche die Lehren der anderen erklären wird – welche eine große Versöhnerin und Vermittlerin unter den verschiedenen Theorien und entgegengesetzten Lehren sein wird.“

Etymologie

Gender, von lat. genus = Abstammung, Gattung, Art, Geschlecht; zuvor von lat. gignere = zeugen, gebären, hervorbringen, verursachen.

Geschlecht, von ahdt. gislahti = Abkunft, Stamm, Familie, Gattung.

Generation, von lat. generatio = Nachkommenschaft, Zeugungsfähigkeit; zuvor von genus.

Zeugung: Etwas wird ein Ding (Zeug), eine Manifestation

Prinzip: Ausgangspunkt, Urgrund, Grundsatz

Das Gute ist das Schöpferische.

– Corpus Hermeticum, X: Der Schlüssel des Hermes Trismegistos, Vers 3, übers.v. Karl-Gottfried Eckart

Die drei Eingeweihten schreiben:

Das große siebente hermetische Prinzip enthält die Wahrheit, das sich in allem Geschlecht manifestiert – dass das maskuline und das feminine Prinzip in allen Phasen der Phänomene, auf allen und jeden Lebensebenen, immer gegenwärtig und aktiv ist. Bei dieser Gelegenheit halten wir es für angebracht, auch darauf aufmerksam zu machen, dass Geschlecht, in seiner hermetischen Bedeutung, und Sexualität, in der gewöhnlichen Anwendung des Ausdrucks, nicht dasselbe sind.

Das Wort Geschlecht (genus) ist verwandt mit “zeugen, erzeugen, schaffen, hervorbringen, Schöpfung”. Eine kurze Überlegung wird zeigen, dass das Wort eine viel weitere und allgemeinere Bedeutung hat als der Ausdruck Sexualität; letzterer bezieht sich auf die physischen Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Lebewesen. Sexualität ist nur eine Manifestation von Geschlecht auf einer bestimmten Ebene der großen physischen Ebene – der Ebene des organischen Lebens. Wir wollen diesen Unterschied zwischen Geschlecht und Sexualität eurem Geist deshalb gut einprägen, weil gewisse Schriftsteller, die eine oberflächliche Kenntnis hermetischer Philosophie erlangt haben, versuchen, dieses siebte hermetische Prinzip mit wilden, phantastischen, oft tadelnswerten Theorien und Lehren, Sexualität betreffend, zu identifizieren.

Die Aufgabe von Geschlecht ist zu schaffen, hervorzubringen usw. Seine Manifestationen sind auf jeder Ebene der Phänomene sichtbar. Es ist einigermaßen schwierig, wissenschaftliche Beweise für diese Behauptung zu erbringen, weil die Wissenschaft noch nicht anerkannt hat, dass dieses Prinzip universal anwendbar ist. Einige Beweise kommen aber doch aus wissenschaftlichen Quellen. In erster Linie finden wir eine deutliche Manifestation dieses Prinzips bei den Körperchen, Ionen und Elektronen, welche die Grundlage der Materie – wie sie die Wissenschaft jetzt kennt sind, und durch gewisse Kombinationen das Atom bilden…

Das Atom besteht aus einer großen Menge von Partikeln, welche um einander kreisen und in hohem Grad und hoher Intensität schwingen. Es wird aber auch festgestellt, dass das Atom seine Entstehung dem Umstand verdankt, dass negative Elektronen sich um ein positives Elektron anhäufen. Die positiven Elektronen scheinen einen gewissen Einfluss auf die negativen auszuüben, scheinen sie zu veranlassen, gewisse Kombinationen einzugehen und so ein Atom zu “schaffen”. Dies stimmt mit den ältesten hermetischen Lehren überein, welche immer das maskuline Prinzip mit dem “positiven” Pol [Anode] und das feminine Prinzip mit dem (sogenannten) “negativen” Pol der Elektrizität [Kathode] identifiziert haben…

Die Elektronen sind die tätigsten Arbeiter in der Natur. Aus ihren Vereinigungen oder Kombinationen hervorgehend, manifestieren sich die verschiedenen Phänomene von Licht, Wärme, Elektrizität, Magnetismus, Anziehung, Abstoßung, chemische Affinität und deren Gegenteil und ähnliche Phänomene. Und all dies geht aus der Wirksamkeit des Prinzips vom Geschlecht hervor.

Die Aufgabe des maskulinen Prinzips scheint darin zu liegen, eine gewisse angebotene Energie auf das feminine Prinzip zu richten und so den Schöpfungsvorgang in Tätigkeit zu setzen. Das feminine Prinzip ist aber immer dasjenige, welches das aktive schöpferische Werk vollbringt; und so ist es auf allen Ebenen. Und doch, kein Prinzip ist ohne Beistand des anderen Prinzips wirksamer Energie fähig. In manchen Lebensformen sind die beiden Prinzipien in einem Organismus vereinigt. Was dies betrifft, alles in der organischen Welt manifestiert beide Geschlechter: In der maskulinen Form ist immer auch das feminine Prinzip gegenwärtig, und in der femininen Form immer auch das maskuline Prinzip…

Die “elektrische Theorie vom Universum” ist die letzte wissenschaftliche Lehre, sie wird rasch populär und allgemein angenommen. Und so folgt daraus, dass, wenn wir fähig sind, im Phänomen der Elektrizität – an ihrer Wurzel und an der Quelle ihrer Manifestation einen klaren, unverkennbaren Beweis für das Vorhandensein des Geschlechts und seiner Aktivitäten zu erkennen, wir berechtigt sind, von euch den Glauben zu verlangen, dass die Wissenschaft zuletzt Beweise angeboten hat für das Vorhandensein dieses großen hermetischen Prinzips in allen universalen Phänomenen.

Es ist nicht nötig, euere Zeit zur Besprechung der wohlbekannten Phänomene in Anspruch zu nehmen, wie “Anziehung und Abstoßung” der Atome, chemische Affinität, Liebe und Hass der Atome, Anziehung oder Kohäsion zwischen den Molekülen der Materie. Diese Tatsachen sind zu gut bekannt, als dass sie einer weiteren Erklärung bedürfen. Aber habt ihr je schon bedacht, dass alle diese Tatsachen Manifestationen des Prinzips vom Geschlecht sind? Könnt ihr nicht sehen, dass diese Phänomene mit den Phänomenen der Elektronen übereinstimmen? Und mehr noch, könnt ihr nicht die Vernunftmäßigkeit der hermetischen Lehren erkennen, welche behaupten, dass sogar das Gesetz der Gravitation – diese seltsame Anziehungskraft, durch welche alle materiellen Teilchen und Körper im Universum zueinander streben – auch nur eine Manifestation des Geschlechtsprinzips ist, welches in der Richtung wirkt, die maskulinen Energien zu den femininen Energien zu ziehen und umgekehrt…

Lasst uns nun zu einer Betrachtung der Wirksamkeit des Prinzips auf der mentalen Ebene übergehen.

Mentales Geschlecht

Die Beharrlichkeit der Idee vom Dualen Geist [heute: Geschlechtlichkeit der Gehirnhälften]… fällt jedem Schüler der Psychologie auf, der die moderne Gedankenrichtung, mentale Phänomene betreffend, verfolgt hat… Thomson J. Hudson erlangte durch die Veröffentlichung seiner Theorie vom “objektiven und subjektiven Geist”, welche er als in jedem Individuum vorhanden annahm, im Jahre 1893 große Popularität. Andere Schriftsteller haben fast ebenso viel Aufmerksamkeit erregt durch ihre Theorien vom bewussten und unterbewussten Geist”, vom “willkürlichen und unwillkürlichen Geist”, vom “aktiven und passiven Geist” usw. usw. Die Theorien der verschiedenen Schriftsteller weichen in vielem voneinander ab, aber es bleibt das allen zugrunde liegende Prinzip vom “Dualismus des Geistes”.

Der Schüler der hermetischen Philosophie ist versucht, zu lächeln, wenn er von diesen zahlreichen “neuen Theorien” vom Dualismus des Geistes liest und hört; jede Schule hält zäh an ihren eigenen Theorien fest und behauptet, sie habe die Wahrheit entdeckt. Der Schüler blättert zurück im Buch der okkulten Geschichte und findet in den dunklen Anfängen der okkulten Lehren Hinweise auf den althermetischen Lehrsatz vom Geschlechtsprinzip auf der mentalen Ebene – auf die Manifestation des mentalen Geschlechts. Und wenn er weiter forscht, findet er auch, dass die alte Philosophie vom Phänomen des dualen Geistes Kenntnis hatte; dies wird bezeugt durch ihre Theorie vom mentalen Geschlecht. Diese Vorstellung vom mentalen Geschlecht soll in wenigen Worten erläutert werden…

Das maskuline Prinzip des Geistes entspricht dem sogenannten objektiven bzw. bewussten bzw. willkürlichen bzw. aktiven Geist.

Und das feminine Prinzip des Geistes entspricht dem sogenannten subjektiven bzw. unterbewussten bzw. unwillkürlichen bzw. passiven Geist usw. Natürlicherweise stimmen die hermetischen Lehren mit den zahlreichen modernen Theorien über die Natur der beiden Phasen des Geistes nicht überein; auch lassen sie viele von den Tatsachen, die für die beiden bezüglichen Aspekte beansprucht werden, nicht gelten; manche der erwähnten Theorien und Forderungen sind weit hergeholt und können einer Prüfung durch Experiment und Beweisführung nicht standhalten. Wir weisen auf die übereinstimmenden Phasen nur deshalb hin, um dem Schüler zu helfen, sein früher erworbenes Wissen leichter mit den Lehren der hermetischen Philosophie zu assimilieren…

Betrachten wir nun die hermetischen Lehren vom mentalen Geschlecht.

Die hermetischen Lehren erteilen ihre Unterweisung über diesen Gegenstand, indem sie ihre Schüler auffordern, die Berichte des Bewusstseins von ihrem eigenen Selbst zu prüfen. Der Schüler wird aufgefordert, seine Aufmerksamkeit nach innen, auf das ihm innewohnende Selbst, zu richten. Jeder Schüler wird angeleitet, zu sehen, dass sein Bewusstsein ihm vorerst vom Vorhandensein seines Selbst berichtet – es sagt ihm “Ich bin”. Auf den ersten Blick scheinen uns dies die endgültigen Worte des Bewusstseins zu sein; eine weitere Untersuchung aber offenbart die Tatsache, dass dieses “Ich bin” in zwei deutliche Teile oder Aspekte getrennt oder gespalten werden kann, welche im Bewusstsein getrennt werden können, obwohl sie im Einklang und in Verbindung wirken.

Vorerst erscheint es uns, als ob nur ein “Ich” existiert; wenn wir aber sorgfältiger und genauer zusehen, entdecken wir die Tatsache, dass ein “Ich” und ein “Mich” existiert. Diese mentalen Zwillinge unterscheiden sich in ihren charakteristischen Merkmalen und in ihrer Natur. Eine Untersuchung ihrer Natur und der Phänomene, die aus ihr hervorgehen, wird auf viele Probleme vom mentalen Einfluss Licht werfen.

Beginnen wir mit der Betrachtung des “Mich”, das von den Schülern meist fälschlich für das “Ich” gehalten wird, ehe sie in die versteckten Winkel des Bewusstseins vordringen. Ein Mensch denkt sich sein “Selbst” (in seinem Aspekt des “Mich”), zusammengesetzt aus gewissen Gefühlen, Zuneigungen, Abneigungen, Gewohnheiten, besonderen Verpflichtungen, charakteristischen Merkmalen, Geschmacksrichtungen usw., welche alle zusammen die Persönlichkeit ausmachen oder das Ego, wie es ihm selbst und anderen bekannt ist. Er weiß, dass sich diese Gemütsbewegungen und Gefühle ändern, geboren werden und absterben; dem Prinzip des Rhythmus unterworfen sind und dem Prinzip der Polarität, welche den Menschen von einem Gefühlsextrem zum anderen tragen. Er denkt sich sein “Mich” auch als eine gewisse Menge von Wissen, das in seinem Geist gesammelt wurde und so einen Teil seines Ego bildet. Dies ist das “Mich” eines Menschen.

Vom “Mich” vieler Menschen kann gesagt werden, es bestehe größtenteils aus dem Bewusstsein des Körpers und der physischen Gelüste usw. Ihr Bewusstsein ist zum größten Teil an ihre körperliche Natur gebunden, praktisch “leben sie hier”. Manche Menschen gehen sogar so weit, ihre persönlichen Kleidungsstücke als einen Teil ihres “Mich” anzusehen; sie scheinen sie wirklich als einen Teil ihres “Selbst” zu betrachten.

Ein Schriftsteller hat humorvoll geschrieben: “Der Mensch besteht aus drei Teilen – Seele, Leib und Kleider.” Diese “kleiderbewussten Leute” würden ihre Persönlichkeit verlieren, wenn sie gelegentlich eines Schiffbruches von Wilden ihrer Kleider beraubt würden. Aber auch viele, die nicht so eng an die Idee ihrer persönlichen Kleidung gebunden sind, haften an der Vorstellung, ihre Körper seien ihr “Mich”. Ein Selbst, unabhängig vom Körper, können sie nicht begreifen. Ihr Geist scheint ihnen wirklich ein “Etwas” zu sein, das zu ihrem Körper gehört” – was oft wirklich der Fall ist.

Wenn sich der Mensch aber zu höherem Bewusstsein erhebt, wird er fähig, sein “Mich” von der Idee des Körpers loszulösen und von seinem Körper als zum mentalen Teil des Körpers “gehörend” zu denken. Aber auch dann noch ist er nur zu sehr geneigt, das “Mich” gänzlich mit den mentalen Zuständen, Gefühlen usw., welche er in sich existieren fühlt, zu identifizieren. Er ist sehr geneigt, diese internen Zustände als identisch mit sich selbst zu betrachten, statt als das, was sie sind: einfach “Dinge”, durch einen gewissen Teil seiner Mentalität hervorgebracht und in sich, von sich existierend, aber doch nicht “er selbst”. Er sieht, dass er durch eine Willensanstrengung diese internen Gefühlszustände verändern kann, dass er einen Zustand oder ein Gefühl, dem vorigen ganz entgegengesetzt, auf dieselbe Weise hervorbringen kann, und dass doch dasselbe “Mich” existiert. Und so wird er nach einiger Zeit fähig, diese verschiedenen mentalen Zustände, Gemütsbewegungen, Gefühle, Gewohnheiten, Eigenschaften, charakteristischen Merkmale und andere persönliche mentale Zugehörigkeiten beiseite zu setzen. Er wird fähig, sie beiseite zu setzen in die “Nicht-Mich”-Sammlung von Seltenheiten und Lasten wie auch von kostbaren Besitztümern. Dies erfordert von seiten des Schülers viel mentale Konzentration und die Macht mentaler Analyse. Für den fortgeschrittenen Schüler ist es aber doch möglich, die Aufgabe zu lösen, und jene, die nicht so weit fortgeschritten sind, können sich doch wenigstens vorstellen, wie der Prozess ausgeführt wird.

Wenn er diesen Prozess des “Beiseite-Setzens” ausgeführt hat, wird sich der Schüler im bewussten Besitz eines “Selbst” finden, welches in den dualen Aspekten des “Ich” und des “Mich” betrachtet werden kann.

Das “Mich” wird er als ein mentales Etwas fühlen, in welchem Gedanken, Ideen, Gemütsbewegungen, Gefühle und andere mentale Zustände hervorgebracht werden. Er kann als der “mentale mütterliche Schoß” – wie es die Alten nannten – angesehen werden, der fähig ist, mentale Nachkommenschaft zu erzeugen. Es erscheint dem Bewusstsein als “Mich” mit latenten Schöpfungskräften, mit der latenten Kraft, Nachkommen aller Sorten und Arten hervorzubringen. Seine Kräfte schöpferischer Energie werden als enorm gefühlt. Aber doch scheint es uns bewusst zu werden, dass es irgendeine Form von Energie erhalten muss, sei es von seinem eigenen “Ich” Gefährten oder von einem anderen “Ich”, ehe es seine mentalen Schöpfungen ins Dasein bringen kann. Dieses Bewusstsein bringt die Verwirklichung einer enormen Fähigkeit für mentale Arbeit und schöpferische Begabung mit sich.

Aber der Schüler wird bald erkennen, dass dies noch nicht alles ist, was er in seinem inneren Bewusstsein findet. Er findet, dass ein mentales Etwas existiert, das fähig ist, zu wollen, dass das “Mich” nach gewissen schöpferischen Richtlinien wirkt, das aber auch fähig ist, abseits stehend der mentalen Schöpfung beizuwohnen. Der Schüler wird gelehrt, diesen Teil seines Selbst sein “Ich” zu nennen. In seinem Bewusstsein kann er nach seinem Willen ruhen.

Er findet hier nicht das Bewusstsein einer Fähigkeit zu erzeugen und aktiv zu schaffen, im Sinne des stufenweisen Prozesses, der mentales Wirken begleitet, sondern vielmehr das Gefühl und das Bewusstsein einer Fähigkeit, eine Energie vom “Ich” auf das “Mich” zu projizieren – einen Prozess des “Wollens”, dass die mentale Schöpfung beginne und ausgeführt werde. Er findet, dass das “lch” abseits stehen und dem Wirken der mentalen Schöpfung und Erzeugung des “Mich” zusehen kann. Dieser duale Aspekt ist im Geist jeder Person. Das “Ich” vertritt das maskuline Prinzip – das “Mich” das feminine Prinzip des mentalen Geschlechts. Das “Ich” stellt den Aspekt des “Seins” dar, das “Mich” den Aspekt des “Werdens”. Ihr werdet bemerken, dass das Prinzip der Entsprechung auf dieser Ebene ebenso wirkt wie auf der großen Ebene, auf der die Erschaffung von Universen vollzogen wird. Die beiden sind der Art nach gleich, aber im Grade sehr verschieden. “Wie oben, so unten, wie unten, so oben.”

Diese beiden Aspekte des Geistes – das maskuline und das feminine Prinzip – das “Ich” und das “Mich” – geben, betrachtet in Verbindung mit den wohl bekannten mentalen und psychischen Phänomenen, den Meisterschlüssel zu den wenig erforschten Regionen mentaler Wirksamkeit und Manifestation. Das Prinzip vom mentalen Geschlecht bringt die Wahrheit, die den Gebieten der Erscheinungen mentalen Einflusses usw. zugrunde liegt.

Die Tendenz des femininen Prinzips geht immer dahin, Eindrücke zu empfangen, die Tendenz des maskulinen Prinzips geht immer dahin, auszugeben, sich zu äußern. Das feminine Prinzip leitet das Werk der Erzeugung neuer Gedanken, Entwürfe, Ideen, das Wirken der Phantasie mit inbegriffen. Das maskuline Prinzip bescheidet sich mit dem Wirken des “Wollens” in seinen verschiedenen Phasen. Ohne die aktive Hilfe des Willens des maskulinen Prinzips ist aber das feminine Prinzip geneigt, sich mit der Hervorbringung mentaler Bilder zufrieden zu geben, welche das Ergebnis von Eindrücken sind, die es von außen erhalten hat, statt originale mentale Schöpfungen hervorzubringen.

Personen, welche ihre Aufmerksamkeit und ihre Gedanken andauernd auf einen Gegenstand richten können, wenden beide mentalen Prinzipien an – das feminine Prinzip durch aktive mentale Erzeugung, den maskulinen Willen dadurch, dass er den schöpferischen Teil des Geistes anspornt und Energie an ihn abgibt. Die meisten Menschen machen vom maskulinen Prinzip nur wenig Gebrauch, sie geben sich damit zufrieden, nach den Gedanken und Ideen zu leben, die ihrem eigenen “Mich” vom “Ich” anderer Geister eingeflößt wurden. Wir wollen aber nicht länger bei diesem Gegenstand verweilen…

Dem Schüler der Psychologie fallen die wunderbaren Phänomene auf, die unter den Namen Telepathie fallen oder Gedanken-Übertragung, mentale Beeinflussung, Suggestion, Hypnotismus usw. Viele haben diese verschiedenen Phasen der Phänomene durch die Theorien zu erklären gesucht, die von den verschiedenen Lehrern des “dualen Geistes” aufgestellt worden sind. Und in gewisser Hinsicht haben sie Recht, denn in all diesen Phänomenen kann man die Manifestation zweier verschiedener Phasen mentaler Aktivität erkennen. Wenn aber die Schüler diesen “dualen Geist” im Licht der hermetischen Lehren über Schwingungen und mentales Geschlecht betrachten, so werden sie sehen, dass sie den lang gesuchten Schlüssel in Händen haben.

Bei den Phänomenen der Telepathie kann man sehen, wie die schwingende Energie des maskulinen Prinzips einer Person auf das feminine Prinzip einer anderen Person projiziert wird; letztere übernimmt die Gedankensaat und lässt sie in sich reifen. Auf die gleiche Weise wirken Suggestion und Hypnotismus. Das maskuline Prinzip der suggerierenden Person richtet seine Schwingungsenergie oder Willenskraft auf das feminine Prinzip einer anderen Person, letztere nimmt diese Energie auf, macht sie zu ihrer eigenen und handelt und denkt damit übereinstimmend. Eine Idee, die sich so im Geist einer anderen Person eingenistet hat, wächst und entwickelt sich und wird mit der Zeit als der rechtmäßige mentale Nachkomme des Individuums angesehen; in Wirklichkeit aber ist sie dem Kuckucksei gleich, das in das Sperlingsnest gelegt wird und hier die rechtmäßige Nachkommenschaft vernichtet und sich häuslich niederläßt.

Normalerweise koordinieren das maskuline und das feminine Prinzip im Geist des Menschen, sie handeln harmonisch, in Verbindung miteinander. Unglücklicherweise aber ist das maskuline Prinzip des Durchschnittsmenschen zu träge, um zu handeln – die Willenskraft ist zu wenig entwickelt. Die Folge davon ist, dass solche Menschen fast gänzlich vom Geist und Willen anderer Menschen beherrscht werden, welchen sie erlauben, für sie zu denken und zu wollen. Wie wenig originale Gedanken werden vom Durchschnittsmenschen gedacht, wie wenig originale Handlungen vollbringt er! Sind nicht die meisten Menschen bloße Schatten und Echos anderer Menschen, die stärkeren Willen und Geist als sie selbst haben? Und das kommt daher, dass der Durchschnittsmensch fast ausschließlich in seinem “Mich”-Bewusstsein weilt und gar nicht erkennt, dass er auch ein “Ich” hat. Er ist in seinem femininen Prinzip polarisiert, und das maskuline Prinzip, in welchem der Wille wohnt, bleibt untätig und ungenutzt.

Die starken Männer und Frauen der Welt manifestieren unabänderlich das maskuline Prinzip des Willens, und ihre Stärke hängt wesentlich von dieser Tatsache ab. Statt nach den Eindrücken zu leben, die andere auf ihren Geist machen, beherrschen sie ihren eigenen Geist durch ihren Willen, erlangen so die erwünschte Art mentaler Bilder und beherrschen überdies noch die Geister anderer. Seht auf die starken Menschen, wie sie ihre Gedankensaat in die Geister der Massen säen und dadurch die Massen zwingen, nach dem Wunsch und Willen der Starken zu denken. Aus diesem Grund sind die Volksmassen so Schafherden ähnliche Geschöpfe, die niemals eine originale Idee haben, die niemals ihre eigene Macht mentaler Aktivität gebrauchen.

Die Manifestation des mentalen Geschlechts kann man überall im täglichen Leben bemerken. Magnetische Personen sind solche, welche ihr maskulines Prinzip dazu anwenden können, ihre Ideen anderen Personen einzuprägen. Der Schauspieler, der die Zuschauer zu Tränen rührt, wendet dieses Prinzip an. Und so ist es auch mit dem erfolgreichen Redner, Staatsmann, Prediger, Schriftsteller und mit anderen Menschen, die öffentliche Aufmerksamkeit erregen. Der eigentümliche Einfluss, den manche Menschen auf andere ausüben, kommt von der Manifestation des mentalen Geschlechts nach den oben erwähnten Schwingungslinien. In diesem Prinzip liegt das Geheimnis des persönlichen Magnetismus, persönlichen Einflusses und Zaubers usw., ebenso wie auch der Phänomene, die man allgemein mit dem Namen Hypnose bezeichnet.

Der Schüler, der mit den Erscheinungen vertraut ist, von denen man allgemein als von “Psi-Phänomenen” spricht, wird schon entdeckt haben, was für eine wichtige Rolle hier jene Kraft spielt, welche die Wissenschaft “Suggestion” genannt hat. Unter Suggestion sind der Prozess oder die Methoden zu verstehen, wodurch die Idee auf den Geist eines anderen Menschen “übertragen” oder diesem Geist “eingeprägt” wird, und dieser Geist veranlasst wird, in Übereinstimmung mit dieser Idee zu handeln. Um die verschiedenen psychischen Phänomene, denen Suggestion zugrunde liegt, zu begreifen, ist es notwendig, die Suggestion genau zu verstehen; außerdem aber sind Kenntnisse über Schwingungen und über mentales Geschlecht unerlässlich. Denn das ganze Prinzip der Suggestion hängt von den Prinzipien vom mentalen Geschlecht und von den Schwingungen ab.

Bei den Schriftstellern und Lehrern über Suggestion ist es der Brauch, zu erklären, es sei der “objektive oder willkürliche” Geist, welcher den mentalen Eindruck oder die Suggestion auf den subjektiven oder unwillkürlichen Geist ausübt. Sie geben aber keine Beschreibung des Vorgangs, auch keine Analogie in der Natur, wodurch wir die Idee leichter erfassen könnten. Wenn ihr aber die Angelegenheit im Lichte der hermetischen Lehren überdenkt, werdet ihr sehen können, dass die Übertragung der Schwingungsenergie des maskulinen Prinzips auf das feminine Prinzip in Übereinstimmung mit den universalen Naturgesetzen ist, und dass die Natur zahllose Analogien gibt, welche uns das Prinzip leichter verstehen lassen. In der Tat, die hermetischen Lehren zeigen uns, dass auch die Erschaffung des Universums demselben Gesetz folgt, dass in allen schöpferischen Manifestationen – auf den spirituellen, mentalen und physischen Ebenen – immer dieses Prinzip vom Geschlecht wirksam ist, diese Manifestation des maskulinen und des femininen Prinzips: “Wie oben, so unten; wie unten, so oben.” Und mehr noch, wenn dieses Prinzip vom mentalen Geschlecht einmal erfasst und verstanden wurde, dann können die verschiedenen psychologischen Phänomene auf einmal verständnisvoll klassifiziert und studiert werden, statt wie bisher im Dunkeln zu bleiben. Das Prinzip “wirkt sich auch in der Praxis aus”, weil es auf den unveränderlichen universalen Gesetzen des Lebens beruht.

Wir werden nicht auf eine breite Erörterung oder Beschreibung der verschiedenen Phänomene mentalen Einflusses oder psychischer Aktivität eingehen…

Der Zweck dieses Werkes ist nicht, weitläufige Schilderungen von psychischen Phänomenen zu geben, sondern vielmehr, dem Schüler einen Meister-Schlüssel zu geben, mit welchem er zahlreiche Tore öffnen kann, die in jene Teile des Weisheitstempels führen, welche er zu erforschen wünscht. Wir hoffen, dass man in dieser Betrachtung der Lehren des “Kybalions” eine Erklärung finden wird, die viele verblüffende Schwierigkeiten erhellen wird – einen Schlüssel, der viele Tore öffnen wird. Vorausgesetzt, dass wir dem Schüler die Mittel geben, durch die er sich mit jeder Phase des Gegenstandes, die ihn interessiert, vertraut machen kann, wozu sollten wir noch alle Einzelheiten psychischer Phänomene und mentaler Wissenschaft eingehend besprechen?

Wir dürfen nicht den Fehler machen, Geschlecht mit Sex zu verwechseln, denn Sex bezieht sich nur auf die Beschaffenheit der Sexualorgane … Geschlecht hat eine impulsgebende Natur. … gegenseitige Beeinflussung schafft Energie. Statt von positiven und negativen Polen zu sprechen, ist es angemessener, von dem Maskulinen und dem Femininen, dem Erzeugenden und dem Empfangenden zu sprechen… Die feminine Energie sucht die Vereinigung mit dem Maskulinen und absorbiert von ihm das, was wirkt, und erzeugt so eine neue Kraft. (187)

Durch dieses okkulte Gesetz kann der Schüler der Hermetik ein neues Wesen erschaffen, einen Mutanten, der mit den höheren Qualitäten eines echten menschlichen Wesens gezeugt wird. Es gibt keinen anderen wirklichen Weg für die spirituelle Entwicklung; alles, was nicht die Anwendung dieses Geheimnisses beinhaltet, ist reine Fantasie… Wenn wir dieses Gesetz des Geschlechts verstehen, können wir auch erkennen, wie trügerisch es ist, Problemen, Schwierigkeiten und Hindernissen auszuweichen, indem man sie lediglich als Hürden, Zeitverschwendung oder lästige Situationen betrachtet. Der Hermetiker muss sich die Probleme als den negativen Pol des Lebens vorstellen, d.h. als die Kraft, der er seine positive generative Energie entgegensetzen muss, um das zu schaffen, was er sich wünscht. (188)

[Dies ist] der notwendige Gegensatz, um unser Bewusstsein zu entwickeln. Das Bewusstsein, genau die Qualität, die wir erreichen wollen, ist das Ergebnis der Kollision zwischen unserer Trägheit und unserer Willenskraft, die von einer erwachten Intelligenz gelenkt wird… Das Prinzip des Geschlechts zeigt uns, dass es für eine Schöpfung nicht möglich ist, ohne das Vorhandensein des Vater- und des Mutterelements zu existieren, und dies gilt für das gesamte Universum, (189)

— John Baines, The Stellar Man

Literatur:

  • Das Kybalion / Die drei Eingeweihten
  • Das Corpus Hermeticum, einschl. d. Fragmente d. Stobaeus / a.d.Griech.v. Karl-Gottfried Eckart
  • The Stellar Man / John Baines

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