Episode 49: Furcht

Dass etwas mit den Menschen nicht stimmt, wusste ich schon, als ich gerade die ersten heute noch bestehenden Erinnerungen zu formen begann. Diesem Wissen ernsthaft und konsequent Raum zu geben erlaubte ich mir jedoch erst ab Ende 2008, als die sogenannte Finanzkrise mit Macht in unser Bewusstsein gedrückt werden sollte.

Ich wunderte mich, weshalb, und als ich es herausfand, fragte ich mich, was ich mit diesem verstörenden Wissen anfangen sollte. Das führte innerhalb Jahresfrist zu einer völligen Neugestaltung meines Lebens und ich widme mich seither in Vollzeit dem einzig Sinn ergebenden Vorhaben: der Bewusstwerdung.

Einer meiner ersten Helfer hierbei war der amerikanische Bewusstseinslehrer Adyashanti, dessen „Complete Interview“ wie eine Bombe in meinem Geist explodierte, auch wenn ich ihn anfangs bei weitem nicht verstand. Noch völlig im Materialismus verankert fragte ich mich zunächst, ob und wie man ihn im Alltag integrieren kann, aber mir war trotzdem sofort klar, dass er den Nagel direkt auf den Kopf getroffen hatte.

15 Jahre danach kann ich diese Intuition längst bestätigen. Neulich sah ich, dass ein weiterer Lehrer, der mich stark inspiriert hat, Mark Passio, ihn zitierte. Und so dachte ich: Es wird Zeit, Adyashanti meinen eigenen Zuhörern vorzustellen.


Ich habe das Gespräch relativ kurz nach seiner Veröffentlichung gesehen, auch kurz nach meinem persönlichen Erwachen.

Seine Inhalte – und auch Adyashantis zahlreiche Satsangs und andere Interviews, die ich seither sah – bleiben im Licht meiner neueren Studien okkulten Wissens wie z.B. Naturrecht und Hermetik weiterhin zutreffend.

Als Einführung in die Lehre Adyashantis stellt dieses Interview mit Global Onenness eine gute Quelle dar. Sein Fokus liegt auf der Rolle, die die Furcht in der menschlichen Bewusstwerdung spielt. Ich habe es in zitatfähiges Deutsch übersetzt und gebe diese Version nun wieder:


Zitat (bis zum Schluss der Sendung): Die Hauptkraft der Separation sehe ich letztendlich in der Furcht, denn hier gilt, zumindest aus meiner Sicht, dass die Erfahrung der Separation [des von anderen Menschen und der Welt getrennten Seins], obwohl sie illusorisch ist, ein natürliches Stadium in der Entwicklung des Bewusstseins zu sein scheint.

Genauso wie die Kindheit ein natürlicher Entwicklungszustand ist, Man schaut nicht zurück und fragt sich: Warum war ich jemals ein Säugling; das war dumm. Ich hätte diese Phase einfach überspringen sollen.

Mit dieser Art von Ich-Entwicklung kommt ein Gefühl der Separation; das hat etwas damit zu tun, wie unser Gehirn funktioniert, und mit der immensen Macht, die Gedanken haben, und das alles beginnt, das Gefühl eines getrennten Selbst zu erzeugen.

Ich sehe dieses Gefühl des getrennten Selbst letztlich als illusorisch an, aber eigentlich als eine ganz natürliche Entwicklungsstufe.

Später, wenn man an die Schwelle kommt – und ich glaube, da sind jetzt viele Menschen -, erleben sie diese Separation und stellen fest, dass sie von Natur aus unbefriedigend ist, nicht nur für sie selbst, sondern auch sehr unbefriedigend für die Welt, sehr ungesund für die Welt.

Und dann fühlt man diesen Sog von etwas anderem. Dann entdeckt man oft diese ungeheure Furcht, denn es ist eine Art Tod, der jenseits des getrennten Selbst führt. Es ist der Tod einer Identität. Und auf der gedanklichen Ebene ist es sehr abstrakt, darüber zu sprechen und es zu beschreiben. Aber wenn es DIR passiert und du buchstäblich das Gefühl hast, dass du sterben wirst, oder wenn du nach innen schaust und die Leere des getrennten Selbst siehst – und das klingt sehr spirituell, aber wenn du es tatsächlich siehst, kann es ziemlich erschreckend sein, ziemlich schockierend – dann denkst du: „Mein Gott, die Person, die ich dachte zu sein, ist nicht hier.

Viele Menschen, mit denen ich gesprochen habe, haben große Furcht vor der Nichtexistenz.

Das ist Teil der Ironie: Wir müssen durch das Tor unserer eigenen Nichtexistenz als getrennte Wesen in die wahre Existenz gelangen. Und das ist sehr, sehr furchterregend.

Und so lenken wir uns ab. Die Welt, die wir erschaffen haben, ist perfekt geeignet, uns mit endlosen Mengen an Unterhaltung und Trivialitäten ablenken zu können.

Da ist normalerweise diese tiefe Furcht vor der Erkenntnis: Ich weiß nicht einmal wirklich, wer ich bin.

Die meisten Menschen wissen nicht wirklich, wer sie sind. Und dann kommt noch die Furcht hinzu, dieser existenziellen Leere oder Nicht-Existenz zu begegnen. Und das ist das Tor, durch das man gehen kann.


Man muss einfach erkennen, dass man die Furcht nicht kontrollieren kann, aber genau das unternimmt die ganze Welt, indem sie versucht, die Furcht zu bekämpfen. Und ich glaube, viele Menschen wissen nicht, in welchem Ausmaß die Furcht in ihrem Leben wirkt. Es gibt einige Menschen, die keine offensichtliche Furcht empfinden. Aber wenn man es sich genau ansieht, dann fragt man sich: Warum suchen wir Menschen nach diesen kleinen Momenten der Anerkennung, warum wollen wir überall Liebe finden? Warum streben wir nach Zustimmung, danach, wahrgenommen zu werden?

Wenn man genau hinsieht, gibt es viele psychologische Gründe, aber die Ursache ist immer die Furcht. Denn wenn ich keine Zustimmung bekomme, wenn ich keine Anerkennung bekomme, wenn ich dies nicht bekomme, wenn ich jenes nicht bekomme, werde ich sterben. Ich werde nicht mehr existieren. Wenn ich all diese äußeren Dinge nicht bekomme, muss ich mich der unendlichen Leere im Inneren stellen, ich muss dem begegnen.

Die meisten Menschen sind sich dessen nicht bewusst. Sie denken nicht in diesen Begriffen darüber nach, aber die Furcht ist tatsächlich – soweit ich das sehe – eine unglaubliche Antriebskraft für die Menschheit. Und wir sehen das auf der tief spirituellen Ebene und auf einer ganz äußerlichen Ebene.


Ich denke, um herauszufinden, wo hierbei die Liebe oder die Hoffnung bleiben, müssen wir sehen, dass selbst die Dinge, die wir tun, um etwas zu verbessern, oft durch Furcht motiviert sind. Zum Beispiel die Furcht, dass wir den Planeten zerstören. Ja, wir zerstören den Planeten, das ist wohl wahr, aber wenn wir diese Wahrheit vom Standpunkt der Furcht aus angehen, dann hat die Furcht gesiegt.

Oder wenn wir, sagen wir, das politische System nicht mögen: Wenn wir durch Furcht motiviert sind, agieren wir immer noch in demselben alten Bewusstseinszustand. Wir haben nur sozusagen die Seiten gewechselt: Anstatt Zerstörer der Welt zu sein, sind wir nun Retter der Welt. Aber wenn du ein von Furcht getriebener Retter der Welt bist, befindest du dich immer noch im selben Bewusstsein; Zerstörer und Retter sind lediglich zwei Seiten derselben Münze.

Jeder hat immer das Gefühl, dass er das Beste tut, nicht wahr? Egal, auf welcher Seite sie stehen, haben alle mmer das Gefühl, dass sie im Grunde das Beste tun.

Das Interessante an der Furcht ist, dass, wenn man wirklich durch sie hindurchgeht, anstatt zu versuchen, sie zu bewältigen, die andere Polarität der Furcht die Liebe ist. Es sind nicht wirklich verschiedene Dinge. Wenn wir also tatsächlich anfangen können, uns mit der Furcht selbst zu konfrontieren oder ihr zu begegnen, dann kommen wir in die Liebe.

Liebe entsteht immer aus diesem Gefühl des Einsseins, aus dem, was wir wirklich sind, aus der Erfahrung des Einsseins und nicht aus der Idee des Einsseins. Denn die Idee des Einsseins wird immer wieder Furcht erzeugen. Die Idee: „Wir sind alle eins.“ Das ist doch eine schöne Vorstellung, nicht wahr? Wir sind alle eins, wir sind alle Spirit, was auch immer – „und wir zerstören uns selbst und wir müssen etwas dagegen tun…“ und man kann die Furcht dabei spüren. Aber die Erfahrung des Einsseins, es zu spüren, es wirklich zu erkennen, ist die Abwesenheit von Furcht.

Was ich sehr interessant finde, ist, dass wir auch Angst davor haben, keine Angst zu haben: „Wenn ich keine Furcht davor hätte, was mit der Welt passiert, wenn wir nichts tun, wenn ich keine Furcht davor hätte, was mit der Menschheit passieren könnte, dann hätte ich keine Motivation, etwas zu tun. Ich würde vielleicht einfach in meinem Schaukelstuhl sitzen und sagen: Nun, es ist alles Spirit, und es ist schon in Ordnung…“

Es gibt also eine Furcht davor, keine Furcht zu haben. Als Spezies reden wir so viel über Liebe, aber wir trauen ihr eigentlich nicht so recht.


Die Liebe macht keine Unterschiede. Die Liebe liebt das, was ist. Alles. Nichts bleibt außen vor. Sie liebt die Menschen, die versuchen, die Welt zu heilen, und sie liebt die Menschen, die sie zerstören. Sie ist eine unterschiedslose Liebe zu dem, was ist – das ist Liebe. Als Menschen haben wir hiervor oft Furcht: Soll ich wirklich alles und jeden lieben, auch die Menschen, die alles zerstören? Und natürlich sind die Menschen, die alles zerstören, du und ich. Wir denken immer, dass es die da drüben sind, aber in Wirklichkeit ist es unser eigener gespaltener Bewusstseinszustand, der alles zerstört. Aber wenn wir wirklich begreifen, dass Liebe ohne Unterschied liebt – das bedeutet nicht, dass sie dumm ist oder dass sie eine Entschuldigung für alles ist – dann verstehen wir, dass es eine Liebe zu dem ist, was ist. Für mich ist das die eigentliche Macht der Liebe.

Es ist sehr einfach, sich von der Furcht leiten zu lassen, von dem, was ich nicht will, was ich verhindern will; das ist nicht sehr wirkungsvoll. Wir haben das jahrhundertelang versucht. Wir haben uns ein neues politisches System ausgedacht, ein neues spirituelles System, eine neue Philosophie. Wir könnten sogar eine neue Philosophie des Einsseins erfinden… was auch immer es ist, wenn es durch Furcht motiviert ist, bleibt es im alten Bewusstsein. Aber wenn es durch Liebe motiviert ist, hat es Macht. Dann sind wir nicht so sehr daran interessiert, wogegen wir sind, sondern wofür wir sind. Das ist eine ganz andere Sache.


Mahatma Gandhi pflegte immer zu sagen: „Ich bin nicht gegen die britische Herrschaft, ich bin für die indische Hoheit, ich bin für die Rechte Indiens. Ich bin gegen niemanden.“

Intellektuell können die Leute sagen: „Oh, das ist interessant.“ Aber es ist wirklich sehr bedeutsam. Es ist buchstäblich ein Bewusstseinswandel, wenn sich die gesamte Aufmerksamkeit auf das richtet, wofür man ist, was von Natur aus positiv ist und nicht durch Furcht motiviert ist. Aber wenn wir uns mit dem beschäftigen, wogegen wir sind, ist das immer durch Furcht motiviert. Es gibt also diesen kleinen Mann in Indien, der die Menschen sehr inspiriert hat. Diese Inspiration war sehr mächtig. Aber natürlich kämpfte er immer mit der Furcht der Bevölkerung, denn es gab immer wieder Ausbrüche von Gewalt und Hass und all das. Und er sagte den Leuten immer: „Nein, nein, nein, hasst sie nicht, seid nicht gegen sie. Wir sind für das Selbstbestimmungsrecht Indiens.“

Das ist nur ein Beispiel. Oder MLK. Er war nicht gegen die Weißen. Er war für die Rechte der Afro-Amerikaner. Das bringt eine ganz andere Energie mit sich. Ein ganz anderes Bewusstsein. Oberflächlich betrachtet mag es nicht so beeindruckend aussehen, weil wir nicht in den Kampf ziehen, nicht schreien, aber unterschwellig, auf der nicht sichtbaren Ebene, ist es unendlich viel kraftvoller, wenn unser Bewusstsein sich auf das richtet, wofür wir sind, als auf das, wogegen wir sind.


Die Furcht wird niemals siegen. Punkt. Niemand kann die Wahrheit für immer ignorieren. Wenn die menschliche Spezies nicht überlebt – nun, ich möchte, dass sie überlebt; es ist schön, ich mag sie so, wie sie ist – aber weißt du, soweit ich die Geschichte der Welt kenne, gibt es kaum eine Spezies, die für lange Zeit überlebt. Und wenn wir unseren Job nicht erledigen, wenn sich das Bewusstsein nicht weiterentwickelt, dann werden das Leben und die Existenz einfach sagen: „Nun, das hat nicht so gut funktioniert; ihr seid raus!“

Und ich meine das nicht so salopp, denn es wird in diesem Prozess viel Blut fließen und viel Leid und Schwierigkeiten geben. Aber im Grunde weiß ich, dass das Leben sich selbst regelt. Ich habe keine Furcht davor, dass wir alle irgendwie in diesen schrecklichen Abgrund stürzen und niemand es jemals wieder heraus schafft.

Aber das ist keine Ausrede, um dann in die Bewusstlosigkeit zu gehen und zu sagen: „Da es nun einmal so sein wird, werde ich nichts tun, ich werde mich nicht einmischen.“ Das ist eine Art spirituelle Ausflucht.

Mir kommt es nie so vor, als ob der Spirit uns vorschreibt, was wir zu tun haben, oder als ob er uns sagt, dass wir dieses oder jenes tun müssen. Man könnte eher sagen, dass es natürliche Tendenzen gibt: Es liegt in der Natur des Spirits, in der Natur des Heiligen, dies zu tun, sich in diese Richtung zu neigen. Es liegt in seiner Natur, zu erwachen, es liegt in seiner Natur, zu lieben, es liegt in seiner Natur, sich der Einheit oder der Harmonie zuzuwenden. Das ist es, was er tut.

Es scheint, als kämen wir nun an einen Krisenpunkt. Krisen sind oft der Katalysator für Veränderungen. Als Menschheit können wir uns – so hoffe ich – alle darauf einigen, dass wir an einen Krisenpunkt angelangt sind. Wir müssen nicht nur mit unserer persönlichen Sterblichkeit umgehen lernen, sondern auch mit unserer Sterblichkeit als Spezies, mit der Tatsache, dass wir als Spezies vielleicht nicht überleben. Und das kann – genau wie die individuelle Sterblichkeit – zu einem Bewusstseinswandel führen, weil wir erkennen, dass die Zeit abgelaufen ist. Wir haben keine Zeit mehr. In diesem „Keine-Zeit-mehr“ kann sich manchmal das Bewusstsein verändern. Als Menschheit nähern wir uns schnell dieser Art von Imperativ: Die Zeit läuft uns davon.

Und so ist es ganz natürlich, dass auf dem Bewusstsein der Menschheit gerade jetzt ein enormer Druck lastet. Wir alle spüren das, nicht wahr? Diesen ungeheuren Druck, sich zu entwickeln, zu erwachen. Denn irgendwie weiß jeder intuitiv, dass diese Gelegenheit vertan sein wird, wenn es nicht zu einem ziemlich dramatischen Bewusstseinswandel kommt.


Da ist der persönliche Bereich… Ich wünsche mir diese Transformation für meine Kinder und für alle anderen Lebewesen, aber das ist der Punkt, den ich, glaube ich, versucht habe anzusprechen, wenn auch nicht so deutlich, wie ich es vielleicht hätte tun können, nämlich dass dieser Wunsch oder Impuls über unsere persönlichen Anliegen hinausgehen muss, sogar über die Sorgen um die Zukunft unserer eigenen Kinder. Mit anderen Worten, er muss auch beinhalten, dass wir vielleicht nicht wissen, was das Beste ist. Vielleicht ist es das Beste, wenn wir als Spezies nicht überleben. Solange nicht alles möglich ist, fragen wir gar nicht erst danach, was wahr ist, weil wir Grenzen setzen. „Ich schaue mir nur an, was wahr ist, wenn es zufällig in dieser kleinen Box existiert.“ Aber vielleicht beinhaltet die Wahrheit, dass die Zeit der Menschheit vorbei ist; es hat nicht funktioniert, daher wird die Existenz etwas anderes versuchen.

Um zu sehen, was wirklich wahr ist, muss man sich also für das öffnen, was über die eigenen Wünsche und Vorstellungen hinausgeht. Dazu gehören natürlich deine persönlichen Anliegen, der Wunsch, glücklich zu sein, der Wunsch, dass es deiner Familie und deinen Kindern gut geht und sie überleben. Das ist völlig in Ordnung. Das werden wir nie ganz ablegen können. Aber ich denke, es muss einen viel größeren Bezug dazu geben: Was ist wirklich real? Was ist wirklich wahr? Tatsächlich wahr? Und kann ich die Frage überhaupt so stellen, dass die Frage selbst über das menschliche Interesse hinausgeht? Kann ich sie vom Standpunkt der Existenz aus stellen und nicht vom Standpunkt des „Ich“ oder auch vom Standpunkt der Menschheit aus? Kann ich die Frage in einem möglichst großen Zusammenhang stellen?

Ich denke, das ist sehr, sehr wichtig. Denn nur dann verbinden wir uns mit etwas, das unbegrenzte Kraft besitzt. Das ist es, was notwendig ist. Unendliche transformative Kraft. Und wir kommen niemals an das heran, was unendliche transformative Kraft hat, solange wir nur im persönlichen Bereich bleiben.

Die erste Frage erkundigt sich also danach, wie man das individuell macht. Und eine noch größere Frage lautet natürlich, wie das kollektiv geschehen kann. Darauf habe ich keine Antwort. Als Lehrer habe ich die Erfahrung gemacht, dass Menschen mit dieser Art von Motivation kommen, die wahrlich überpersönlich ist, die von der Ebene der Existenz kommt. Sie kommen mit dieser Motivation zu mir oder eben nicht. Sie haben sie oder sie haben sie nicht. Ich kann sie nicht in ihnen entwickeln, ich kann sie nicht überzeugen. Es ist ein Teil ihrer eigenen Reife. Sie fangen vielleicht nicht damit an, aber später reifen sie möglicherweise dazu, aber ich kann es ihnen nicht eintrichtern. Ich kann mit ihnen darüber reden, aber…

Wissen Sie, es ist so, wie wenn man zehn Jahre alt ist, die Erwachsenen ansieht und sagt: „Ich wäre gerne einen Tag lang ein Erwachsener.“ Was sagt man zu so einem Zehnjährigen? Auf diese oder jene Weise kann man einen Tag lang ein Erwachsener sein? So kannst du dein Bewusstsein um zehn Jahre vorspulen? Nein, so funktioniert das nicht. Die Zeit wird kommen. Ob sie schnell genug kommt, das ist eine ganz andere Frage.


Wir machen alle eine schwierige Zeit durch. Wir erleben schon seit langer, langer, langer Zeit eine schwierige Zeit, ja. Wenn wir nicht erkennen, was wir wirklich sind, dass wir nicht getrennt sind… wir sind nicht einmal verbunden. Wir sind mehr als verbunden, wir sind EINS. Wir sind im Ausdruck gleich. Wir sind sehr einzigartig, wir sind sehr unterschiedlich, und es besteht eine wunderschöne individualisierte Manifestation des Einen. Aber die Essenz des Ganzen ist, dass alles eins ist.

Wenn wir das nicht erkennen, gibt es keine Hoffnung. Es gibt kein politisches System, das uns retten wird, es gibt keine Umweltbewegung, die uns retten wird – nichts, was von außen verordnet wird, wird es ändern. Wir versuchen seit Tausenden von Jahren, von außen eine Struktur vorzugeben. Hier ist das politische System, hier ist dieses System, hier ist jenes System. Natürlich sind einige relativ besser als andere, aber letztendlich, wie Thomas Merton sagte, ist jedes politische System so gut oder schlecht wie die Menschen, die sich in ihm befinden. Das System transzendiert die Menschen nicht, es verändert sie nicht. Es ist unser Bewusstsein, das sich ändern muss. Unsere Perspektive.


Der größte Teil sogenannter Spiritualität ist ein Mythos und ein Traum. Vieles davon gehört entschieden zum Traumzustand. 90% dessen, was wir Spiritualität nennen, dient in Wirklichkeit dem Traumzustand und nicht dem Aufwachen daraus. 10% der Spiritualität gehören vielleicht zu etwas jenseits des Traumzustandes, was bedeutet, dass Spiritualität zum Leben gehört, zur Existenz in ihrer Gesamtheit. Spiritualität und Leben und alles andere sind also ein und dasselbe. Ich sehe sie nicht als etwas, das von irgendetwas getrennt ist. Das war zumindest für mich ein Teil des Erwachens.

Eines der ersten Dinge, die ich zu meiner Lehrerin sagte, war – und ich dachte, ich würde dafür gekreuzigt werden, weil ich nicht wusste, wie sie reagieren würde – „Es fühlt sich an, als wäre ich gerade vom Zen, aus der Spiritualität aufgewacht.“ Und sie lächelte mich nur an und zeigte mit dem Finger, was sie sonst nie tat, und sagte: „Das ist genau der springende Punkt.“

Das bedeutete nicht, dass ich Zen oder Spiritualität oder meinen Weg weggeworfen hatte. Es bedeutete, dass ich aus meinen Vorstellungen darüber aufgewacht bin, die auf Fantasie basierten und die von diesem Leben getrennt waren. Ich denke, jede Spiritualität, die von dieser Existenz getrennt ist, ist eine Fantasie. Und ich meine nicht nur die Existenz, die man sehen, berühren und fühlen kann, ich meine die Existenz selbst, ob sie nun manifest oder unmanifest ist.


Es gibt ein kollektives Menschheitsbewusstsein und eine kollektive Denkstruktur, und es fällt sehr leicht, in dieser Denkstruktur aufzugehen, während wir glauben, dass es nicht so ist – bis wir erkennen, dass die gesamte Denkstruktur, die persönliche und die kollektive, nicht funktioniert hat. Sie ist unbrauchbar. Es gibt in ihr keine bessere Idee, die die Antwort enthält.

Zuerst müssen die Dinge für uns zusammenbrechen. Und das ist eine große Sache für einen Menschen. Nicht nur, dass man aus seiner persönlichen Konditionierung ausbricht, sondern auch aus der Konditionierung der Menschheit als Ganzes.

Hier begegnet man der Furcht, denn wenn man mit seinem Bewusstsein an diesen Punkt gelangt, hat man das Gefühl, alles hinter sich zu lassen: „Ich trenne mich vom Bewusstsein der Menschheit.“ Es fühlt es sich so an, als ob man die Sichtweise verwirft, über die sich alle einig sind und die man sein ganzes Leben lang gekannt hat, und dir wird klar, dass du nie wieder dorthin zurückkehren wirst. Nie wieder. „Ich werde die Welt nie wieder so sehen, wie 99% der Menschen sie sehen. Ich werde nie wieder zurückkehren.“

Die meisten Menschen kommen also an diesen Punkt, werfen einen Blick in den Bereich jenseits, aber dann gibt es immer einen Grund, warum sie sich wieder an ihr altes Sein klammern müssen. Zum Beispiel: „Was wird mit meiner Familie geschehen? Ich bin eine Mutter. Werde ich in der Lage sein, meine Kinder zu erziehen?“

Das sind gute Fragen. Ich habe diese Fragen auch schon gestellt bekommen. „Adya, ich fühle so etwas, aber ich habe einen Sechsjährigen. Es gibt keine Garantie, dass ich eine gute Mutter sein werde, wenn ich wirklich loslasse. Werde ich eine gute Mutter sein?“, fragen sie. Gute Frage, nicht wahr? Und leider helfen alle Zusicherungen, die ich geben kann, nicht wirklich weiter. Oft sage ich: „Wie dringend willst du es wissen? Denn ich kann dir sagen, dass alles in Ordnung sein wird, aber das wird dir nicht helfen.“

Oder: „Ich kann nicht loslassen, weil die Menschheit dabei ist, ins Verderben zu stürzen. Wir sind dabei, uns gegenseitig zu zerstören.“ Wach auf aus diesem ganzen Kontext. „Werde ich ein Teil der Lösung sein? Wird es mich noch interessieren?“ Nun, die einzige Antwort ist: Willst du es herausfinden? Vielleicht muss alles möglich sein. Aber wenn jemand wirklich loslässt und sich nicht dort verheddert, wo er sich hinbegibt – denn man kann sich dort draußen im Nichts verlieren, oder man kann sich selbst verlieren – wenn man dort draußen nicht stehen bleibt, dann schließt sich der Kreis. Du lässt die Welt hinter dir, damit du endlich in ihr sein kannst. So ist das.

Aber wenn man an diesem Punkt angelangt ist, gibt es so viele gute Gründe, nicht loszulassen. Einige davon sind persönlicher Natur, andere haben mit der gesamten Menschheit zu tun, weil man das Gefühl hat: Ich lasse die Menschheit im Stich. Wie kann ich es wagen? Es ist das Tabu gegen das vollständige Erwachen. Es ist das Tabu einer Raupe, die sich in einen Schmetterling verwandelt und sich fragt: „Werde ich mich noch um die Raupen kümmern?“ Ok, das ist eine Unterscheidung, die nicht wirklich gültig ist, aber du verstehst schon, was ich meine, und es fühlt sich an wie der Abschied von deiner Sippe.

Literatur:

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