Episode 72: Bewusstseinsbilder

In Episode 71 sprachen wir über den Zusammenhang zwischen Wissen, Bewusstsein und Spiritualität und definierten Bewusstsein als:

  • Liebe, dh Freiheit von Furcht
  • Liebe zur Wahrheit / zum So-Seienden
  • Fähigkeit zwischen Richtig und Falsch zu unterscheiden = Gemeinwissen
  • Fähigkeit, die Realität ohne mentale Verzerrungen wahrzunehmen = geistige Klarheit
  • In Einklang mit dem göttlichen Gesetz stehen
  • Verbindung zum Spirit

Diese und die kommenden Wochen möchte ich Möglichkeiten vorstellen, Bewusstsein begreifbar zu machen. Ich habe zu diesem Zweck ein paar Schaubilder ins Blog eingefügt.

Bewusstsein als Welle

Im Zusammenhang mit Bewusstsein spricht man oft von Energie, Schwingung oder Frequenz. Tatsächlich ist alles im Universum, einschließlich Geist und Materie, eine Form von Energie, und diese lässt sich als Schwingungsmuster mit einer bestimmten Frequenz (Periode) und Amplitude (Ausschlag) darstellen.

Vergleichen wir Bewusstsein also mit Lichtwellen, bekommen wir folgendes zu sehen:

An der Stelle, wo sich Wirklichkeit und Wahrnehmung treffen (wo die Sinuskurve die x-Achse schneidet), erkennt man die Wahrheit. Dh: Je höher Frequenz/Bewusstsein, desto mehr Schwingungen pro Zeit, dh. desto häufiger fällt die Wahrnehmung mit der Wahrheit zusammen. Die wahrgenommene Detailfülle und der Umfang des Wahrgenommenen wächst.

Das Niveau / der Umfang / die Häufigkeit / die Frequenz, mit der das gelingt, ist das Maß für Bewusstsein. Hier im Beispiel von oben nach unten: 6.5 / 3.5 / 2.5 / 2 / 1.5 Schwingungen bzw. 13 / 7 / 5 / 4 / 3 Treffer.

Hohes Bewusstsein, das alle Seinsbereiche und -Ebenen einbezieht, entspricht violettem Licht, das eine relativ hohe Frequenz hat. Hierunter fallen holistische, integrale, ganzheitliche Philosophien.

Am unteren gelegenen Ende der Bewusstseinsskala findet man reduktionistische Weltbilder: Ideologien, Glaubensvorstellungen, Szientismus, Materialismus. Mit solchen Weltbildern klammert man einen Großteil der Wirklichkeit aus und damit erreicht man lediglich eine niedrige Bewusstseinsstufe. Die Farbe Rot als Symbol des Sozialismus bzw. Kommunismus passt wegen ihrer niedrigen Frequenz und geringen Energiedichte hervorragend ins Bild.

Integrales Psychogramm

Die folgenden Grafiken und Erläuterungen sind dem Buch Das integrale Betriebssystem: eine Einführung in die integrale Theorie und Praxis von Ken Wilber entnommen. Ich habe allerdings einige Modifikationen daran vorgenommen.

Ken Wilbers integrales Psychogramm zeigt 5 wichtige Säulen der Intelligenz, abgetragen an den Stufen des Bewusstseins.

Bewusstsein hat verschiedene Anteile, von Ken Wilber Intelligenzien genannt. An ihnen ermisst sich der individuelle / kollektive Fortschritt des Bewusstseins. Ich würde, wie dargestellt, eher zur Darstellung von 7 Säulen neigen, die sich an den Chakren orientieren. Dem entsprechend habe ich die erste und die letzte Säule hinzugefügt:

spirituell, kognitiv, moralisch, interpersonell, emotional, psychosexuell, materiell

Alle Intelligenzien sind zweigeschlechtlich: Ein maskulines Prinzip neigt zur Autonomie und Gerechtigkeitsmoral (Freiheits- und Notwehraspekt des Naturrechts), ein feminines Prinzip neigt zur Verbundenheit und Fürsorge (Nichtangriffsprinzip im Naturrecht). Im gezeigten Beispiel haben wir einen generellen Mangel an femininer Intelligenz. Das ausgewogene Vorhandensein beider Geschlechter ist für die Entwicklung jedoch notwendig!

Alle Stufen haben Teilstufen, aber für den Anfang genügt die vereinfachte Darstellung (nach Ken Wilber, Carol Gilligan, Lawrence Kohlberg u.a.):

I = egozentrische Stufe = Selbstgefühl, Mitgefühl & Fürsorge umfasst nur das Individuum. Sein Schwerpunkt liegt beim Ich = egoistisch; solipsistisch, vormoralisch, hedonistisch (Wurzel-, Sakral- & Solarplexus-Chakra).

Solche Korrelationen sind nützlich, um die verschiedenen Ansätze Bewusstsein abbildender Methoden ins eigene Verständnis zu integrieren. Korrelation ist ein wichtiges Werkzeug, einen möglichst umfassenden Einblick in den Zustand des eigenen Bewusstseins zu bekommen bzw. den Bewusstseinszustand der menschlichen Gemeinschaft.

II = ethnozentrische Stufe = Selbst-Gefühl, Mitgefühl & Fürsorge werden erweitert und verlagern Schwerpunkt zum Wir einer Gruppe = traditionell, rollenkonformistisch, autoritätshörig (Herz- & Kehl-Chakra).

III = weltzentrische Stufe = Selbst-Gefühl, Mitgefühl & Fürsorge werden erweitert und verlagern Schwerpunkt zum Wir-Alle / Wir & Ihr (Menschheit, fühlende Wesen) = freiwillig akzeptierte moralische Prinzipien (Stirn-Chakra).

Über den auf dem Schaubild gezeigten gibt es noch eine vierte Stufe:

IV = universalzentrische Stufe = Selbst-Gefühl, Mitgefühl & Fürsorge werden erweitert und verlagern Schwerpunkt zum ALL (Gott, Spirit) = Einssein, Harmonie, maskulines und feminines Prinzip vereint und im Equilibrium (Krone-Chakra).

Das Bewusstsein im Beispiel ist nicht nur m/f-unausgeglichen, sondern auch in den Intelligenzien untereinander. Es hat seine Stärken im kognitiven und materiellen Verstehen, befindet sich mit den anderen Intelligenzien jedoch hauptsächlich auf der ersten Stufe. Dargestellt sind hier die gesichert erreichten Stände, die im Alltag beherrscht werden. Darüber hinausgehende Gipfelerfahrungen sind selbstverständlich möglich, z.B. ein momentaner Sprung der spirituellen Intelligenz auf Stufe II oder III.

Eine Gipfelerfahrung entspricht kurzfristigen Windspitzen bei einem Sturm, meist für Momente, manchmal für Stunden oder Tage, bevor der Mensch in seinen Normalzustand zurückkehrt. Die Erfahrung höherer Bewusstseinszustände kann erst verstetigt werden, wenn die Bereiche zwischen dem Ist- und dem Gipfelzustand integriert wurden. Das bedarf der Entwicklung durch Erfahrung. Niemand kommt als Erwachsener in die Welt, sondern muss auf dem Weg dorthin Geburt, Säuglingsphase, Kindheit, Jugend und Pubertät durchlaufen, genau in dieser Reihenfolge und ohne eine der Phasen zu überspringen. Alle Anteile des Bewusstseins (Intelligenzien) müssen – möglichst harmonisch und gleichmäßig – entwickelt werden.

Selbst- und Sozialbeobachtung werden dabei helfen, das Wissen um die Dynamik des Bewusstwerdungsprozesses zu ergründen. Verschiedene Autoren und Kulturen weltweit haben dieselben Beobachtungen gemacht und über die Jahrtausende in esoterischen Schriften festgehalten. Die gesammelten universellen Prinzipien sind zum Kern okkulter, philosophischer, religiöser und psychologischer Lehren geworden. Wir können die Reifungsstufen und die Chakras daher z.B. auch auf den zehnteiligen siebenstufigen kabbalistischen Baum des Lebens abbilden und sie sind in 2×10 Teilen auch durch das Tarot darstellbar. Dazu mehr in der nächsten Sendung.

AQAL

[= Alle Quadranten, alle Levels]

Ken Wilber entwarf ein System, das es erlaubt, verschiedene Lehren, Modelle und persönliche bzw. kollektive Entwicklungstände vergleichbar zu machen und eine Bewertung der eigenen bzw. der Gruppenentwicklung bezüglich Bewusstsein, Moral und Fürsorge (Liebe) vorzunehmen. Ziel seiner Anwendung ist es, die eigenen Stärken und Schwächen in der Entwicklung kennenzulernen.

Leiten wir nun zusammen Wilbers AQAL-Modell her:

Es handelt sich bei AQAL um ein Koordinatensystem, das über konzentrische Kreise gelegt wird. Die Ganzheit der Ringe setzt sich dem gemäß aus vier Quadranten zusammen.

Bei den Personalpronomen handelt es sich um Erfahrungswirklichkeiten bzw. Aspekte bzw. Dimensionen des Bewusstseins. Jedes Ereignis kann unter diesen Gesichtspunkten betrachtet werden. Es gibt eine Person, die spricht; eine, mit der gesprochen wird; und Personen / Objekte, über die gesprochen wird. Wir finden hier das Individuell-Interne (Ich), das Kollektiv-Interne (wir) und das Externe in seinen individuellen und kollektiven Aspekten (es, sie) dargestellt.

Die vier Quadranten zeigen die innere und die äußere Dimension des Individuellen bzw. des Kollektiven, die allen Ereignissen, Entscheidungen und Handlungen zueigen sind.

Entscheidungen und Handlungen können mit Hinblick auf ein möglichst umfassendes Bewusstsein der Dinge anhand des AQAL-Schemas qualitativ vorbereitet bzw. bewertet werden. Entscheidungen und Handlungen, die nicht alle Quadranten berücksichtigen, mangelt es an Informationen. Daher tendieren sie dazu, Schaden anzurichten.

Diese drei Formen decken sich mit dem Wahren (es&sie), dem Schönen (Ich) und dem Guten (wir). Inwiefern?

‚Es/sie‘ steht für die objektive Wahrheit; (oder für Wissenschaft / oder für Natur).

‚Ich‘ steht für Selbstausdruck, Kreativität, und Schönheit; (Kunst / Selbst).

‚Wir‘ steht für das Gute, Richtige, Rechte; (Moral / Kultur).

Es/sie, Ich und Wir stehen auch für Wissenschaft, Kunst und Moral; oder für Natur, Selbst und Kultur.

Wir finden hier das Trivium der Bewusstwerdung abgebildet:

Es/Sie = Das Wahre = Grammatik / Ich = Das Schöne = Logik / Wir = Das Gute = Rhetorik.

In diesem System wird deutlich, dass für eine ausgeglichene Entwicklung des Bewusstseins Wahrheit, Fürsorge (Liebe) und Moral Hand in Hand gehen sollten.

Schauen wir uns an, was es nun mit den Ringen auf sich hat:

Es handelt sich um die zuvor erwähnten vier Bewusstseinsstufen.

Wir können beispielhaft unser Integrales Psychogramm im Ich-Aspekt einfügen.

Die vier Bewusstseinsstufen manifestieren sich in jedem Quadranten (Aspekt) des Seins auf besondere Weise.

Beginnend von einem sehr engen Ich-Begriff bzw. Bewusstsein (röm.I, im Zentrum) legen sich höhere Bewusstseinsstufen darüber.

Das Wollen manifestiert sich durch den Ich-Aspekt: zuerst durch Körper, dann durch Geist, dann durch Seele;

das Verhalten manifestiert sich durch den Es-Aspekt: 1 grobstoffliche, 2 feinstoffliche und 3 kausale Körperenergie;

das Sozialgefüge manifestiert sich durch den Sie-Aspekt: 1 Gruppe, 2 Nation und 3 Menschheit;

und die Kultur manifestiert sich durch den Wir-Aspekt: 1 ego-, 2 ethno- und 3 weltzentrisch.

In allen Quadranten / Aspekten findet Entwicklung / Evolution statt. Dabei werden die älteren Stufen integriert und transzendiert, also NICHT verworfen. Der Mensch agiert auch in den höheren Bewusstseinsstufen durch seinen Körper in der physischen Welt; er gebraucht seinen Geist und bildet Gemeinschaften. Höchstes Bewusstsein, Spiritualität oder Erleuchtung bedeuten explizit nicht, dass man in höhere Sphären entschwindet, sondern dass ALLE Daseinsebenen integriert, dh gleichzeitig gelebt werden.

Stufe IV erstreckt sich bis in die Unendlichkeit, bis zum vollständigen Bewusstsein, welches zur Einheit mit Gott führt.

Je höher wir uns entwickeln, desto größer wird der Kreis. Idealerweise bekämen wir einen perfekten Zirkel, aber in der Praxis sind die verschiedenen Aspekte (die vier Quadranten) unterschiedlich weit entwickelt. Darum verzichten wir im nächsten Schaubild auf die Kreise und ersetzen sie durch Achsen:

Die unterschiedlichen Entwicklungsgrade unserer Bewusstseinsaspekte können wir nun an den Achsen in den vier Sektoren abtragen. Hierbei sind Modelle verschiedener Kulturen benutzbar.

Im Ich-Quadranten sieht man, dass sich das Bewusstsein der Mehrheit der Menschen noch immer auf den ersten Ring (röm.I) beschränkt. Einige wenige Individuen beginnen gerade, den zweiten Ring zu erkunden.

Der Wir-Aspekt im Quadranten unten links ist ähnlich entwickelt. Das Wort ‚postmodern‘ hier im Schaubild meint nicht die Kunst- und Philosophie-Epoche, sondern eine zukünftige Zeit, die auf die unsere folgen kann, sofern wir uns weiter entwickeln.

Körperlich (Es-Quadrant) wäre mehr möglich, jedoch keineswegs weiter als bis zum Beginn des IV. Rings. Sri Aurobindo und Mirra Alfassa sprachen davon, die körperliche Entwicklung durch den von ihnen entwickelten Integralen Yoga zu forcieren.

Beim Sie-Quadrant stecken wir noch mitten im ersten Ring fest. Eine Reihe von Wertegemeinschaften, deren Mitglieder sich nicht in erster Linie als Staatsbürger verstehen, sind in den 1960er Jahren entstanden: WGs und intentionale Kommunen, Freiheitsbewegungen und neuerdings über das Internet agierende Gruppen. Sehr weit gediehen sind diese nicht. Häufig fehlt es ihnen in anderen Quadranten an Bewusstsein und in der Regel zerfallen sie schnell wieder.

Die Luft wird nach oben hin schnell dünner. Die überwältigende Mehrzahl der Menschen befindet sich auf der ersten Stufe menschlicher Bewusstseinsentwicklung, dh im instinktiven, magischen, mythischen, rationalen oder pluralistischen Zustand. Häufig stehen die femininen und maskulinen Aspekte ihrer Intelligenzien schwer im Ungleichgewicht.

Das schlägt auch auf ihre Gemeinschaften und Gesellschaften durch. In ihnen leben die Menschen „in ständiger Furcht und der drohenden Gefahr eines gewaltsamen Todes“; ihr Dasein ist „einsam, armselig, scheußlich, tierisch und kurz“ (Thomas Hobbes, Leviathan XIII, 9). Nur wenige Individuen erheben sich über dieses Niveau.

Fazit: Mithilfe der hier gezeigten und anderer Methoden der Visualisierung und Analyse lässt sich der Bewusstseinsbegriff recht konkret veranschaulichen. Bewusstsein rückt zumindest theoretisch in den Bereich des Mess- und damit Greifbaren. Dies sollte nicht zum Zwecke seiner Umwandlung in Produkte dienen, sondern helfen, den Schleier der Selbstlüge zu entfernen. Mittel wie diese können die Frage beantworten, wo wir individuell oder auch kollektiv – als Gesellschaft oder gar Menschheit – in unserer Bewusstseinsentwicklung stehen und Nachholbedarf aufzeigen. Die Entwicklung des Bewusstseins kann auf diese Weise bewusst vorangetrieben und fremdbestimmte manipulative Sabotage verhindert werden.

In der nächsten Sendung wollen wir uns traditionelle Methoden ansehen, die nicht ganz so nüchtern, dafür aber praxisorientiert sind.

Literatur:

  • Die Psychologie der Moralentwicklung / Lawrence Kohlberg. – Suhrkamp, 1981/1996
  • Die andere Stimme. Lebenskonflikte und Moral der Frau / Carol Gilligan. – Piper, 1982/1999
  • Das integrale Betriebssystem: eine Einführung in die integrale Theorie und Praxis / Ken Wilber. – Schröter, 2006

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