Wir befinden uns noch immer mitten in einer Serie über das menschliche Bewusstsein. In ep71 haben wir den Zusammenhang zwischen Wissen, Bewusstsein und Spiritualität erkundet. In ep72 machten wir Bewusstsein mit Hilfe moderner Methoden sicht- und greifbar, z.B. das AQAL-System von Ken Wilber. In der letzten Sendung (ep73) schauten wir uns eine traditionelle, symbologische Methode an, die sowohl als Lehrmittel wie auch Maßstab für Bewusstsein verwendet werden kann, dh. mit ihrer Hilfe kann Bewusstsein beurteilt bzw. gefördert werden: Die Tracingboards der Freimaurer. Es handelt sich dabei um Schautafeln mit Sinnbildern, die das menschliche Bewusstsein und die göttliche/universelle Ordnung darstellen.
Methoden wie diese sind weniger informationsorientiert wie die modernen Methoden, sondern stellen die materielle Welt in einen größeren Zusammenhang. Dadurch vermitteln sie Sinn und Bedeutung. Die unsichtbare (=okkulte) Welt der göttlichen Ordnung wird durch Meister der hermetischen Wissenschaft in Gleichnissen, Parabeln, Gedichten, Gemälden, Skulpturen oder Architektur in einem übertragenen Sinn zum Ausdruck gebracht. Ihre Stilmittel sind Symbole, Geometrien, Metaphern und Allegorien. Der Neuling (=Neophyt) kann sich dem Verständnis dieser Ordnung durch die Interpretation ihrer bildhaften Darstellung nähern.
Bei der vergleichenden Betrachtung von übertragenem Sinn sind keine detaillierten Sachverhalte zu lernen oder Vorschriften einzuhalten; vielmehr schulen solche Lehrmittel das Erkennen von Mustern und damit von universellen Prinzipien. Symbologie erlaubt also bedeutungszentriertes Lernen. Man erwirbt Kraft seines eigenen Geistes ein Wissen, ein Bewusstsein, das in allen Situationen zu richtigem, verständigem, weisem, moralischem Handeln befähigt.
Dasselbe lässt sich auch über die heute behandelten esoterischen Bewusstseinsschulen sagen: Tarot und Kabbalah.
Kabbalah
qbl = Empfangen, erhalten, überliefert bekommen
Kabbalah ist eine althebräische esoterische Tradition der Überlieferung mittels Symbolen und Entsprechungen. Sie hat ihre Wurzeln in der Tora, enthält aber auch arabische Einflüsse.
Ihr Anliegen ist die Suche des Menschen nach einer direkten Beziehung zu Gott. Da wir der Überlieferung zufolge nach Seinem Bild geschaffen wurden, machte und macht man sich das Prinzip der Korrespondenz („wie oben so unten“) zunutze. Hier finden wir historische Wurzeln für den modernen Begriff vom Holistischen Universum, bei dem das Individuum ein fraktaler Aspekt der Gesamtheit ist, also als Teil das Ganze widerspiegelt.
Im Hochmittelalter hielt die Kabbalah Einzug in Europa und wurde bis zum Beginn der Neuzeit auch von Christen angenommen. Sie trug wesentlich zur Formung der europäischen Alchimie bei.
Eines der kabbalistischen Werkzeuge ist der Baum des Lebens. Man nennt ihn Zephir oder Sohar (hebr.) = göttliche Kraft, Zahlen
Er besteht aus 10 nummerierten Kreisen, Sephiroth genannt.
Die Sephiroth entsprechen geistigen und emotionalen Aspekten menschlichen Bewusstseins. Sie sind durch 22 nummerierte Pfade mit einander verbunden. Bei den Sephiroth handelt es sich um:

- Kether: Krone
- Ḥochmah: Weisheit, Klugheit, Geschicklichkeit
- Binah: Einsicht, Verstand‚ analytische Intelligenz
- Ḥesed: Liebe, Gnade, Gunst
- Geburah: Stärke, Macht, Sieg, Gerechtigkeit
- Tif’eret: Verherrlichung, Ruhm, Pracht, Schönheit
- Netzaḥ: Dauer, Beständigkeit, Sieg; Ruhm, Glanz, Blut, Saft
- Ḥod: Pracht, Glanz, Majestät
- Yesōd: Gründung, Grund, Grundstein, Grundlage, Form
- Malchūt: Königreich, Herrschaft, königliche Würde, Regierung
Da’ath: Wissen. Da’ath ist kein Sephiroth, sondern die Seele, die den Zohar durchwandert.
Jeder Sephiroth ist eine Quelle göttlicher Energie = Chakren
Die AnthroWiki schreibt über ihre Zahl und Bedeutung:
Die Zahl 0 (okkult gelesen als Ei) bezeichnet die Vollendung und vollständige Vergeistigung eines vorangegangenen Entwicklungszyklus, aus dem mit der 10 (okkult gelesen als Eins aus dem Ei) die neue Schöpfung hervorbricht. 10 entspricht dem hebräischen Buchstaben Jod, der für das göttliche Ich steht. 10 ist daher die Anzahl der Sephiroth:
„Zehn Zahlen aus dem Nichts, zehn und nicht neun, zehn und nicht elf, begreife diese Weisheit, verstehe dieses Wissen, forsche danach und erwäge es, fasse es in Klarheit und folge dem Schöpfer wieder zu seinem Thron.“ – Sefer Jezirah 1,4 (das älteste überlieferte Werk der Kabbala)
Wie auch bei den Chakren erklimmt man den Lebensbaum energetisch/bewusst von der Basis bis zur Krone, von der Gosse bis zum Himmel, vom dämonischen bis zum göttlichen Bewusstsein. In der hebräischen Tradition nennt man den Baum daher auch die Himmels- oder Jakobsleiter. Im Christentum wird sie durch Christus verkörpert, welcher der Weg zum Licht (Bewusstsein) ist.
Ich benutze von hier an den Sohar als Grundlage fürs Tarotlegen:
Tarot
Tarot ist eine esoterische Schule der Hermetik. Durch harmlos erscheinende Spielkarten konnte das unorthodoxe Wissen um den Menschen und das Universum auf unverfängliche Weise gelehrt bzw. gelernt werden. Im 14.Jh. begann dennoch eine Welle der Verbote, da es als ketzerisch eingestuft wurde.
Die Symbole auf den Karten dienen vermittels ihrer Deutung als Spiegel der inneren resp. äußeren Welt; sie helfen bei der Psycho-Analyse. Synchronizität als Ausdruck des verborgenen Wirkens kosmischer Kräfte erlaubt darüber hinaus die chartomantische Schau zukünftiger Seinszustände.
Als Kartenspiel ist Tarot seit dem Mittelalter nachgewiesen, könnte jedoch wesentlich älter sein, aufbauend auf orientalische Einflüsse – genau jene Weltgegend, in der die Hermetik entstand. Legenden über einen altägyptischen Ursprung dürfte mehr als ein Körnchen Wahrheit innewohnen. Die aus Indien nach Europa ziehenden Zigeuner benutzten es ebenfalls. Möglicherweise brachten sie es mit. Das Wort Zigeuner, so wird vermutet, leitet sich womöglich von der altgriechischen Bezeichnung für eine gnostische Sekte her. Darüber hinaus wird auch ein enger Zusammenhang mit der jüdisch-esoterischen Lehre der Kabbalistik im Verlauf dieser Sendung ebenfalls deutlich werden. Tatsächlich sind die Zusammenhänge zwischen den auf den Tarotkarten dargestellten Bewusstseinsaspekte ohne den Abgleich mit einem System wie dem kabbalistischen Lebensbaum wesentlich schwerer greifbar. Die Herkunft des Spiels und des Wortes Tarot von östlichen Gottheiten bietet sich aufgrund der Indizien also dringend an.
Etwa die tibetische Gottheit Tara, die dem Menschen hilft, sich vom Rad des Schicksals zu befreien und zu Weisheit und Erleuchtung zu finden. Sie zeichnet sich darüber hinaus durch Güte und Askese aus.
Auch die ägyptische Schutzgöttin schwangerer Frauen, Tauret / Toeris kommt als Namensgeberin infrage.
Näher liegt der Bezug zur mesopotamischen Kriegs- und Liebesgöttin Ishtar. Sie wurde mit Ring, Stab und Schwert dargestellt, welche wir als Farben auch im Tarot wiederfinden. Man identifizierte sie mit dem Morgenstern Venus; sie war die Tochter der Sonne und des Mondes – also des maskulinen und femininen Prinzips, die sie in sich vereinte.
Das Wort Tara kommt in verschiedenen Sprachen noch heute vor, u.a. steckt es im Lateinischen terra = Erde, im Hebräischen Torah = Lehre, Gesetz, im Serbokroatischen Wort für rein, in Farsi bedeutet Tara leuchtender Stern, sowie im Kurdischen Brautschleier und Morgenröte, All das zeigt Korrespondenzen zu Ishtar sowie der ägyptischen Isis und der römischen Venus.
All diese Göttinnen verkörpern Mutter Erde, Liebe und Weisheit. Wir finden sie unter weiteren Namen auch in den meisten anderen Kulturen der Erde. Ihr christlicher Name lautet Maria. Ihr Platz in der Trinität ist der Heilige Geist.
Der Ursprung des Tarot verliert sich im Dunkel der Geschichte, weil sein Ursprung in universellen Prinzipien liegt, die allen Menschen zugänglich sind. Die dargestellten Allegorien zeigen psychologische Archetypen, die verschiedene Kulturen in ihrer spezifischen Bilderwelt, aber mit derselben Logik (!) zum Ausdruck bringen. Wenn wir die Symbole und ihre Anordnung deuten, erkennen wir Gottes Ordnung wieder: das Universum und uns selbst, das Äußere und das Innere, das Sichtbare und das Verborgene. Dies ist kontemplative Arbeit.

Für die heutige Sendung bediene ich mich des Rider-Waite-Tarot. Das Waite-Deck wurde von zwei Mitgliedern des Hermetic Order of the Golden Dawn geschaffen: Entworfen von Arthur Edward Waite wurde es von der Künstlerin Pamela Colman Smith ausgeführt und 1910 erstmals im Londoner Verlag Rider & Son veröffentlicht. Es spiegelt das hermetische Verständnis der menschlichen Psyche und der kosmischen Ordnung in geradezu unglaublicher Tiefe wider. Deshalb, und weil dieses Deck graphisch und inhaltlich an traditionelle Decks anknüpft, dürfte es wohl die am weitesten verbreitete Variante sein.
Wer sich ein bisschen umschaut, findet schnell weitere Tarotfassungen, doch manche von ihnen enthalten sparsamere Symbolik, andere sind regelrecht frivol, nahezu inhaltsleer und scheinen nur entworfen zu sein, eine coole Ästhetik darzubieten.
Das Waite-Deck enthält heute 78 Karten. Diese unterteilen sich in zwei sogenannte Arkanas. Beim Arkana handelt es sich um nicht allgemein bekanntes oder schwer zugängliches Wissen – anders ausgedrückt: um okkultes, esoterisches Wissen. Das Wort geht auf das lateinische arcana zurück, wo es Geheimnis bedeutete.
Das große Arkana enthält 22 durchnummerierte Trumpfkarten. Die Karten 0-X stehen für individuelle Bewusstseinsanteile, die Karten XI-XXI für makrokosmisches Bewusstsein.
Das kleine Arkana besteht aus 56 Karten, verteilt auf jeweils 14 Karten der vier Farben Stäbe, Kelche, Schwerter und Münzen.
Jede Karte trägt eine oder mehrere allegorische Figuren sowie mehrere Symbole, die zusammen ein gewisses Etwas versinnbildlichen. Verschiedene Esoteriker nennen dieses Etwas Bewusstseins- oder Einweihungsstufen. Da sie in unterschiedlicher Reihenfolge erreicht werden können, würde ich das Wort Stufe lieber für die sieben Ränge des kabbalistischen Lebensbaums reservieren und bei den Karten von Aspekten sprechen.
Kurz zur Erinnerung:
Symbole: von griech.: symbolon: (Erkennungs-) Zeichen: Gegenstände, Bilder, geometrische Figuren, Farben, Buchstaben, Wörter und Zahlen
Eine Zahl ist ein Symbol für eine Menge, ein Buchstabe für einen Laut, ein Wort für einen Begriff, Farben symbolisieren Identifikation, Geometrien einen mehrgliedrigen Begriff.
Allegorien: von griech.: allegoria = auf andere Weise eindringlich sprechen. Ein Gegenstand oder eine Figur, die symbolisch für verwandte oder ähnliche Begriffe, Prozesse oder Menschen stehen.
Auch als Personifikation: Ecclesia, Concordia, Germania, Marianne, Lady Liberty usw. Diese tragen symbolhafte Gegenstände (Attribute) für das von ihnen Bezeichnete.
Beispielsweise trägt die Justitia als Sinnbild des Justizwesens eine Augenbinde als Zeichen ihrer Unvoreingenommenheit sowie das Schwert der Wahrheit und die Waage der Gerechtigkeit. Sie ist damit übrigens auch eine Allegorie auf das Trivium der Bewusstwerdung, wenn auch nicht perfekt.
Großes Arkana & Zohar
Dass wir etwas unvoreingenommen betrachten, setzt voraus, dass wir es sehen. Die Gerechtigkeit (XI, Krone) als höchste Karte der makrokosmischen Ordnung im Rider-Waite-Tarot entspricht somit eher den Tatsachen: Sie wird korrekt als maskuline Kraft abgebildet und schaut ungehinderten Blickes auf die Welt. Die beiden Säulen, Boaz und Jachim, mehr noch als die Waage und besser als die Augenbinde der Justitia, stehen für die Ausgeglichenheit der Urteilskraft. Der Gerechte wird selbst zur Säule der Gesellschaft. Er ist die allegorische Verkörperung des Naturrechts, des Karmischen Ausgleichs. Die Krone symbolisiert Souveränität, dh Selbstbestimmung. Das höchste Organisationsprinzip einer Gesellschaft – und das einzig nachhaltige – ist die Gerechtigkeit. Als eine Gesellschaft der Gerechten ist sie eine Gemeinschaft der Gleichen-an-Rechten und damit eine Sammlung der Freien. Was aber braucht es, damit wir bei diesem Ideal ankommen? Natürlich den Menschen, das Individuum, dessen körperliche, geistige, psychische und spirituelle Präsenz die Gemeinschaft mitprägt, der er angehört. Fangen wir also an der Wurzel (Da’ath), bei 0 an: sozusagen bei Adam und Eva.
Mikrokosmischer Sohar

Die Bildwelt des Tarot ist allegorischer Natur. Hier sehen wir die Allegorie der menschlichen Seele, nennen wir ihn Adam, ein unbeschriebenes Blatt. Er wird auf der Karte 0 zwar nicht frisch aus der Verpackung präsentiert (was ich für einen symbologischen Fehler halte), aber er hat offensichtlich keinerlei Erfahrung mit der Welt. Er ist geistig völlig unbeleckt, daher verhält er sich wie ein Narr, ein Simplicius Simplicissimus, der Held aus einer Posse, der die einfachsten und offensichtlichsten Dinge nicht versteht. Eigentlich befindet er sich so dicht wie nur möglich am hellen Licht der Wahrheit. Er ist die Unschuld in Person, ein Kind, ein Primitiver. Doch weil er sich nicht auskennt, wird ihn das sogleich die Glückseligkeit kosten: Er fällt in den tiefsten Abgrund.
Hier, auf der untersten Stufe des kabbalistischen Lebensbaums, in der Hölle, leben die Unwissenden und Unbewussten. Sie wissen nicht, wer sie sind, was sie hier sollen und welche Kräfte in ihnen wirken. Weil sie sich so wenig auskennen, sind sie aufs Rad des Schicksals (X, Malkuth = Königreich) geflochten, den Autoritäten, Versuchungen und Elementen hilflos ausgeliefert. Hier, auf Höhe des Wurzel-Chakras, befinden sie sich buchstäblich im Arsch. Sie kennen nicht oben von unten, rechts von links. Eine Richtung ist ihnen so gut wie die andere. Und darum irren sie im Kreis umher, kehren wieder und wieder an denselben Punkt zurück, sowohl in dieser als auch weiteren Inkarnationen,…
[Bild: Mark Passio]
…bis sie sich von der menschlichen Herde trennen, um als geistiger Eremit (IX, Yesod = Grundstein) den Pfad der Bewusstwerdung zu beschreiten. Der Eremit ist lern- und wissbegierig, getrieben von Eros/Libido, der entsprechenden Chakra-Stufe. Auf dem Weg nach oben integriert er das Wissen über die niedrigeren Ebenen und übertrifft es. Er wird, wenn er dem Pfad konsequent folgt auf direktem Weg zum höchsten Bewusstsein gelangen. Dieser Pfad, an dessen Beginn er steht, nennt man den Mittleren Weg oder Gusuth, die Säule der Milde bzw. des Ausgleichs. Der Wanderer auf diesem Pfad meidet die Extreme des femininen resp. maskulinen Pfads.
Sehr viel wahrscheinlicher jedoch ist es, dass die Seele sich auf den linken Pfad, den Schweren Weg, die Säule der Härte, Boas, begibt. Dieser bedarf großer Stärke. Hier im linken Ast des mikrokosmischen Lebensbaums sehen wir feminine Aspekte des Bewusstseins versammelt, angefangen bei innerer Stärke (VIII, Hod = Größe). Ein anderes Wort hierfür ist Mut oder Wille.
Ihr gegenüber, auf derselben Stufe des Lebensbaums, nur rechts, auf der maskulinen Säule, Jachin, dem Weg der Gnade oder Weisheit, finden wir den Wagen (VII, Netzach = Beständigkeit bis zum Sieg). Er verkörpert Willenskraft und Siegesbewusstsein. Der Wagenlenker überwindet seine Trägheit und kommt ins Handeln.
Stärke und Wagen agieren sich auf Höhe des Solarplexus, dem Zentrum Handelns und der heiligen Wut.
Eins höher, auf dem mittleren Pfad, befinden sich die Liebenden (VI, Tif’eret = Schönheit). Sie stehen für Einigkeit, Mitgefühl, Sich-Kümmern und für das schöpferische Prinzip. Der Zephiroth liegt genau in der Mitte der Himmelsleiter; von hier zweigen die meisten weiterführenden Pfade ab. Das lässt ihn ein bisschen wie die Sonne erscheinen. Tatsächlich korrespondiert Tiferet astro-symbolisch mit der Sonne und fällt mit dem zentral gelegenen Herz-Chakra zusammen. Schön, wie Synchronizität wirkt.
Eins höher, wieder links, auf der femininen Säule, sehen wir den Hierophant, Hohepriester oder Papst (V, Geburah = Gerechtigkeit). Er ist kein religiöser Führer, sondern ein Sinnbild für Disziplin bei der Einhaltung der Lehre, Konformität mit Gottes Gesetz; er wird der inneren Stimme folgen, das Notwendige tun können.
Rechts gegenüber, auf der maskulinen Säule, der Herrscher oder Kaiser (IV Hesed = Gnade). Er bewirkt extern, woran der Hierophant intern arbeitet: die Harmonisierung mit dem Naturrecht. Er gibt ein Beispiel. Er setzt seine Stimme und seine Stellung ein, um andere dazu aufzurufen; nicht durch Zwang und Gewalt jedoch.
Herrscher und Hierophant befinden sich auf Höhe des Kehl-Chakras – wie treffend.
Steigen wir eine Stufe höher in der Leiter, sitzt die Herrscherin oder Kaiserin (III Binah = Verstand) auf der Spitze des linken Asts. Sie kann Bedeutung und Sinn erkennen. Sie versteht sich selbst und weiß, wer sie ist.
Ihr gegenüber, auf der Spitze des rechten Asts, sitzt die Hohepriesterin oder Päpstin (II Hochmah = Weisheit). Sie ist eine Allegorie dafür, Verständnis, Bedeutung und Sinn in rechtes Handeln umsetzen zu können. Sie ist Tara / Isis / Hathor / Maria in einem. Unsere alten Freunde Boas und Jachim stehen ihr zur Seite, verleihen Gleichgewicht. Zwischen ihnen spannt sich ein Tuch mit dem Sohar, vor dem die Hohepriesterin die Mittelsäule einnimmt. Sie hält das Gesetz, das sie verkörpert.
Herrscherin und Hohepriesterin befinden sich auf Höhe des Stirn-Chakras, dem Wirkungsort des Geistes in der Welt der Körper.
Da’ath, Binah und Hochmah / Der Narr, die Herrscherin und die Hohepriesterin stellen das Trivium der Bewusstwerdung dar: Wissen-Verstehen-Handeln / Spirit-Geist-Körper. Graphisch formen sie ein auf die Spitze gestelltes Dreieck, das auf Tiferet, dem Mitgefühl fußt – einen Kelch: den Goldenen Gral.
Die siebte und letzte Sprosse der Himmelsleiter, der Höhepunkt innerer Bewusstseinsentwicklung, das Ziel der spiralförmig aufsteigenden Reise des Spirit in der materiellen Welt, ist der Magier (I Kether = Krone). Er beherrscht die Werkzeuge der Bewusstwerdung, die hier in Form von Stäben, Kelchen, Schwertern und Münzen gezeigt werden. Das heißt nicht, dass er alles weiß oder dass er zu einem Gott geworden wäre, sondern dass er die Gesetze Gottes versteht und umsetzt. Er verkörpert ein höheres Bewusstsein, das alle Sprossen der Leiter integriert und lebt das in vollem Umfang. Er ist EINS, er ist erleuchtet. In energetischer Hinsicht repräsentiert der Magier das Kronen-Chakra – es heißt so wie der Zephiroth, und es sollte inzwischen klar sein, dass das kein Zufall sein kann.
Makrokosmischer Sohar

Auf der Da’ath-Position erscheint die Welt oder das Universum (XXI) als feminine Figur. Sie ist die kollektive Entsprechung der individuellen Seele (0 = Der Narr) im mikrokosmischen Baum des Lebens. Im makrokosmischen Sohar betrachten wir das Bewusstsein der Welt als Ganzes; hier geht es um die Evolution der Gesellschaft, der Menschheit, ja des ganzen Planeten. Der Kranz formt die Zahl Null, steht aber auch für Einheit. Genau wie der Narr ist die Welt dem kosmischen Glück sehr nahe, ohne es zu erkennen. Die unbeachteten Kräfte der Natur treiben sie in den Abgrund.
Ein rauhes Erwachen steht am Fuß des Baumes bevor. Über die Toten wird Gericht (XX, Malchut, Königreich) gehalten. Unwissenheit verdammt sie zum ewigen Aufenthalt an dieser Stätte toter, seelenloser Körper. Wir erinnern uns: Auf dem anderen Lebensbaum war dies die Stelle, an der das Rad des Schicksals sich endlos drehte. Hier nun haben wir die makrokosmische Entsprechung dazu: eine geistlose, gottlose materialistische Gesellschaft, der jedes höhere Bewusstsein und jede Kultur abgeht – eine Menschheit der Zombies und Untoten. Werden sie aufwachen und dem Ruf der himmlischen Posaunen folgen?
Nur wenn sie ihre Ignoranz beenden, können sie dem Gericht entkommen. Sie erklimmen die erste Stufe des Lebensbaums, um einen Platz an der Sonne (XIX, Yesod, Grundstein) zu ergattern. Diese Karte liegt auf dem Zephiroth am Fuß des Mittelpfeilers Gusuth, der Säule der Milde/des Ausgleichs. Die Sonne steht für das Licht des Wissens, für Bewusstsein, genau wie das (Christus-) Kind. Bewusstwerdung ist die einzig mögliche Erlösung vom Bösen, über welches die kosmischen Gesetze das kollektive Karma erwirken. Ausschließlich die Kenntnis der Wahrheit macht uns frei von der Hölle unten am Fuß des Baums.
[Bild: Mark Passio]
Die Gesellschaft, die diese Stufe des Baums vollständig erklommen hat, macht guten Gebrauch von ihrem kollektiven Eros/Libido/Drive. Sie wird ihn brauchen, denn es bleibt noch ein langer Weg nach oben zurückzulegen. Doch der Anfang ist gemacht.
Zur linken auf der nächsten Stufe steht der Mond (XVIII, Hod, Größe). Angekläfft von Hunden sieht dieses feminine Prinzip nicht sonderlich glücklich aus. Kein Wunder; die kollektive Seele befindet sich am Anfang des linken Asts, dem Schweren Weg, der Säule der Härte: Boas. Anders als im mikrokosmischen Sohar, wo auf Boas die inneren, unsichtbaren, femininen Aspekte der Bewusstwerdung angesiedelt sind, haben wir hier im makrokosmischen Sohar die negativen Eigenschaften menschlicher Gesellschaften versammelt, die sich nach oben hin fortwährend verschlimmern. Die Mehrzahl der Menschen weist die Wahrheit zurück, befindet sich daher in animalistischer geistiger Umnachtung. Ihr Gebrabbel, Gekläff und Geheul, das sie für Kommunikation halten, hat keinen Bezug zur Wirklichkeit. Ihr Pfad führt in schwieriges Terrain.
Ganz anders stellt sich die menschliche Entwicklung gegenüber dar, auf dem rechten Ast, auf der maskulinen Säule, Jachin, dem Weg der Gnade oder Weisheit. Hier im makrokosmischen Sohar stellt sie die positive Seite des Bewusstseins dar. An ihrem Fuß sehen wir den Stern (XVII, Netzah = Dauer, Sieg, Beständigkeit). Die Karte zeigt eine allegorische Darstellung der Akzeptanz von Wahrheit. Statt der öden, nur von einer animalischen Bevölkerung belebten Szenerie finden wir hier eine Menschenfrau, die mit einem Fuß an Land und einem im Wasser kniet. Sie ist zwar noch nicht im hellen Licht, doch die Sterne spenden ein freundlicheres Licht als der kalte Mond. Die Frau – die menschliche Gesellschaft auf dem Pfad der Weisheit, in anderen Interpretationen die Erdmutter – ist umgeben von blühenden Landschaften, die sie mit dem Wasser des Lebens, dem Geschenk des Spirit gießt.
Klettern wir eins höher auf dem Baum des Lebens, erreichen wir den Turm (XVI, Tif’eret, Schönheit). Er steht für den Wandel, den wir hier unzweifelhaft in Form eines Blitzes einschagen sehen. Das gesamte Universum ist ständig im Wandel, und dasselbe gilt für Gesellschaften. Wer sich dem widersetzt, wie die Bewohner dieser festen Burg, muss sich eines Besseren belehren lassen. Handelt es sich bei diesen um die alten intellektuellen und dogmatischen Wahrheiten, die nun einer Wahrheit des Herzens weichen müssen? Die Katastrophe, die sie ereilt, ist jedenfalls eine Gelegenheit der völligen Umkehr.
Links oberhalb, auf dem schweren Pfad, braut sich mittlerweile ebenfalls Unheil zusammen: Der Teufel (XV, Geburah, Macht) hat sich der Seelen bemächtigt. Er hält sie in eisernen (materiellen) Ketten an seinen Altar gefesselt. Sie selbst sind durch Anbetung seiner Autorität zu Tieren oder Dämonen geworden, wie man an ihren Hörnern und Schwänzen sieht. Diese Allegorie – die unserem Zustand am besten entspricht – zeigt eine Gesellschaft der Sklaverei infolge der Zurückweisung der Wahrheit. Ihre Ketten liegen jedoch nicht all zu eng um ihren Hals. Sie könnten jederzeit ein anderes Karma wählen, wenn sie nur wollten.
Ihre Brüder und Schwestern, die sich in Mäßigkeit (XIV, Hesed, Gnade), oder besser: Mäßigung üben, stehen dem gegenüber als allegorischer Engel und einem Sonnenzeichen auf der Stirn mit einem Fuß in den Wassern des Lebens, mit dem anderen fest auf dem Land. Weil sie die Wahrheit akzeptieren, suchen sie den Ausgleich zwischen maskulinen und femininen Aspekten des Bewusstseins und halten sich an den Pfad, der direkt ins Licht führt. Wenn die Teufelkarte die versklavte Gesellschaft symbolisiert, versinnbildlicht die Engelkarte die Gemeinschaft in Freiheit. Beide sind nur noch einen Schritt von ihrer karmischen Verwirklichung entfernt.
Das Endresultat der satanischen, materialistischen, versklavten Menschheit ist der Tod (XIII, Binah, analytische Intelligenz). Der Auslöschung fallen Jung und Alt, Männlein und Weiblein zum Opfer, und letztlich auch die scheinbar Begünstigten, die geistlichen und weltlichen Herrscher. Sie können das göttliche Licht nicht für immer verleugnen. Wenn die satanische Gesellschaft untergeht – wie jede regressive, repressive es unausweichlich muss – bahnt es sich seinen Weg über den Horizont. Hier besteht die letzte Chance zur Umkehr, bevor sie der Gerechtigkeit (XI) zugeführt wird (Ich fühle mich an das Ende von Fahrenheit 451 erinnert).
Sie kann, wenn sie die Gefahr erkennt, den physischen Tod mit einem metaphysischen vertauschen, dem Menschengesetz abschwören und sich in eine progressive Gesellschaft verwandeln, hier dargestellt durch den Gehängten (XII, Hochmah, Klugheit). Weil sie die Wahrheit akzeptiert, kann sie in Freiheit leben und wird durch nichts in ihrem Fortschritt gehindert. Der Gehängte symbolisiert ein Leben in der Schwebe. Er ist kein Bestrafter, kein Märtyrer, obwohl er in Verteidigung der Wahrheit sicherlich zum Martyrium bereit wäre. Er leidet nicht, er kontempliert oder meditiert. Der Heiligenschein zeigt seine Fähigkeit, das Irdische mit dem Himmlischen zu vereinen. Er hat das höchste Bewusstsein erreicht. Vor der ausgleichenden karmischen Gerechtigkeit braucht er sich nicht fürchten; im Gegenteil: Einer Menschheit auf solch hoher spiritueller Entwicklungsstufe steht evolutionär buchstäblich der Himmel offen.
Über die Gerechtigkeit (XI, Keter) und die Krone habe ich ja eingangs bereits gesprochen. Hier sehen wir die allegorische Verkörperung des Naturrechts, der Karmischen Konsequenz. Die Säulen stehen u.a. für das Nichtangriffsprinzip und die Selbstverteidigung sowie das Equilibrium. Die Krone symbolisiert Souveränität, dh Selbstbestimmung. Das höchste Organisationsprinzip einer Gesellschaft – und das einzig nachhaltige – ist die Gerechtigkeit. Als eine Gesellschaft der Gerechten ist sie eine Gemeinschaft der Gleichen-an-Rechten und damit eine Sammlung der Freien.
Interessante Korrespondenz: Ihr steht am unteren Extrem des Baums das Gericht gegenüber.
Man kann die Karten 0-XXI alternativ auf die 22 Pfade zwischen den Sephiroth verteilen, denn auch diese sind durchnummeriert, und auch hier finden wir Korrespondenzen, die beim Bewusstwerden helfen. Das möchte ich heute jedoch nicht aufgreifen.
Kleines Arkana
Bedeutung und Korrespondenzen der Farben: Stäbe, Kelche, Schwerter und Münzen / Schilder / Ringe
Stäbe – Handeln / Wille – Feuer – Leo/Löwe/Markus – Karo – Frühling
Kelche – Gefühl / Emotionen – Wasser – Scorpio/Adler/Johannes – Herz – Sommer
Schwerter – Intellekt / Geist – Luft – Wassermann/Engel/Matthäus – Pik – Winter
Münzen – praktische Qualitäten / Resourcen – Erde – Taurus/Stier/Lukas – Kreuz – Herbst
Die vier Farben korrellieren also zu inneren Qualitäten, den klassischen Elementen, dem Zodiak und den Farben anderer Kartenspiele. Weitere Korrelationen können hergestellt werden: zu den Planeten, zu Farben, Kalendereinheiten, Evangelisten, Erzengeln, geometrischen Figuren, Himmelsrichtungen, Temperamenten, Mineralien, Metallen, usw usw
Tarot ist weder ein Spiel zum Zeitvertreib noch Humbug. Es hilft ganz einfach, durch Assoziation Bedeutung übertragen und dadurch Aufbau und Sinn der göttlichen Ordnung erkennen zu können. Die Gestalter der Tarotkarten – sicherlich Waite und Colman Smith – wählten die Bezeichnungen, die Symbole, deren Gestaltung und deren Anordnung bewusst so, dass sie diesem Ziel dienen können.
Die Auffassung, dass Symbole beliebig wählbar bzw. auslegbar seien, ist falsch. Genau wie beim Piktogramm, das uns den Zweck einer Einrichtung bzw. den Weg dorthin erklären soll, braucht jedes Symbol mindestens eine klare Kernbedeutung. Erweiterte Bedeutungen ergeben sich durch Assoziation.
Das Erkennen von Mustern im Menschen bzw. Universum gelingt durch die Entschlüsselung der Muster in symbolischen Darstellungen. Indem Begriffe assoziativ neben einander stehen, werden sie zu Metaphern für einander. Man verwendet sie austauschbar, um eine moralphilosophische Geschichte zu erzählen, die uns helfen kann, durch Vergleiche und Imagination zu höherem Bewusstsein zu gelangen. Das erlangte Wissen bzw. Bewusstsein drückt sich im Handeln aus. Die so gewonnenen Erfahrungen ermöglichen wiederum besseren Bezug zur Wirklichkeit. Das ganze Leben wird idealerweise zum Prozess des Erkennens von Mustern – im übertragenen Sinn das Beschreiten des Pfades zum Himmelreich. Der Sohar, wie hier für diese Bannbrecher-Episode benutzt, ist lediglich eine vereinfachte Darstellung der Himmelsleiter. Das vollständigere Bild liefern Modelle wie der dreidimensionale Sohar oder der erweiterte Lebensbaum, die die Sephiroth in allen vier Welten zeigen. Als Welt wird eine Stufe der Verdichtung bezeichnet, vom göttlichen Bereich bis zum Bereich der Materie.
Dreh- und Angelpunkt allen bisher Gesagten ist die Fähigkeit des Rezipienten, Muster zu erkennen, dh. Prinzipien, die innen wie außen, im Menschen wie im Universum wirken. Das ermöglicht es ihm, Sachverhalte aus Symbolen herauszulesen und sie durch assoziatives Imaginieren bzw. logisches Denken auf andere Sachverhalte zu übertragen. Die verschiedenen Werkzeuge zur Bewusstmachung sind in sich stimmig. Gleicht man sie gegeneinander ab, wie z.B. das Tarot mit der Kabbalah oder mit Astrologie, dem Text des Neuen Testaments und anderen esoterischen Traditionen, erweitert sich die Fähigkeit zur Interpretation und zum Verständnis ungemein.
Literatur:
- Schule des Tarot: II Der Baum des Lebens. Tarot und Kabbala / Hans-Dieter Leuenberger. – Bauer, 1982
- The Qabalistic Tarot: A Textbook of Mystical Philosophy / Robert Wang. – Marcus Aurelius, 1983
- Der Bilderschlüssel zum Tarot / Arthur Edward Waite. – Urania, 1978
- What On Earth Is Happening #217 & #218 / Mark Passio