Episode 83: Gesellschaftspyramide

Lieschen Müller und Max Mustermann hören jeden Tag schön brav die Abendpredigt. Die neuen/alternativen/freien Medien und die sogenannte Widerstandsbewegung verlieren sich dagegen in endlosen Analysen zur Tages- und Geopolitik. Sie recherchieren Personen und Personengruppen aller Art – durchweg sich stetig verändernde Faktoren in einem Geflecht von Illusionen; Arbeit, die Generationen von Historikern einmal beschäftigen wird, jedoch ohne irgendeinen Nutzen. Denn die wahre Struktur bleibt ihnen verborgen. Die überwältigene Mehrheit der Menschen ist mit Symptomen beschäftigt; an der Krankheit, an der sie leiden, ändern sie so nicht das Geringste.

In der Pyramidenserie geht es nicht darum, Menschengruppen voneinander zu spalten, Schuld zu externalisieren oder gar zum Krieg gegen die Unterdrücker aufzurufen, sondern um die Ergänzung des offiziellen gesellschaftlichen Organigramms, das wesentliche Teile des Herrschaftsgefüges auslässt. Wir sind durch die systematische Verfälschung unseres Weltbildes geblendet. Daher richtet sich unser Aktivismus gegen die falschen Leute (die falschen Kräfte eigentlich), benutzt die falschen Mittel und verpufft wirkungslos.

Gemeinschaft vs. Gesellschaft

Wie sind menschliche Gesellschaften strukturiert? Wie fließen Informationen, wer entscheidet, wer handelt? Betrachten wir Beispiele wie den Staat, den Konzern, das Militär und die Freimaurer, finden wir merkwürdige Parallelen: Je weiter man nach oben kommt, desto weniger Menschen pro Schicht, aber mehr Macht, Einkommen, Einfluss, Rechte, Wissen, geistige Arbeit. Je weiter man nach unten kommt, desto weniger davon, dafür mehr Menschen, Pflichten, körperliche Arbeit.

Wenn man das grafisch darstellt, erhält man in allen Fällen eine Pyramide.

Die gesellschaftliche Pyramide beruht auf zweierlei statischen Prinzipien: Stratifikation und Segmentierung, d.h. jede Substruktur, jedes Stockwerk, jeder Raum jeder Stein sieht nur den Anteil der betrieblichen Wirklichkeit, die er zur Erfüllung seiner Aufgabe im Betrieb der Gesamtstruktur braucht.

Reguliert wird dieser Betrieb (wiederum) durch zwei Prinzipien: die Befehlskette und die Wirkweise der menschlichen Psyche. Die Befehlskette garantiert, dass der Willen der Betriebsleitung bis ins letzte Glied ganz unten weitergereicht und umgesetzt wird. Psychologische Furcht vor Strafe, Positionsverlust und Verlust von Existenzgrundlagen garantiert, dass die überwiegende Mehrheit (lt. Milgram bis weit über 90% der Beteiligten) sich gegenseitig im Gleichklang hält.

Das unterscheidet sich grundsätzlich von der Art, wie wir Familien und Freundeskreise organisieren – Gemeinschaften also. Hier haben wir eine horizontale Ordnung. Die Individuen erheben sich selten und, wenn überhaupt, nur kurzzeitig und umständehalber über ihre Mitmenschen. Das vorherrschende Bestreben richtet sich auf Zugehörigkeit. Es gibt soziale Kontrolle, aber die funktioniert über den Hebel von Inklusion vs Exklusion, während die Pyramide über Aufstieg und Abstieg geregelt wird. Erhofft bzw. beginnt jemand den Aufstieg, ersetzt er sein Streben nach menschlicher Nähe (dh der Zugehörigkeit zu einem Wir) durch Streben nach persönlichen Vorteilen.

Gesellschaften funktionieren also ganz anders als Gemeinschaften. Gesellschaften bestehen aus separaten Einheiten, die durch Furcht zusammengehalten werden; ein Geselle ist (lediglich) ein Mensch, der im gleichen Saal (Haus) wohnt. Wir sehen im Wort den Bezug zum Architektonischen, Strukturellen.

Gemeinschaften hingegen verstehen sich als lebendige Einheit, deren Erhalt positive Anreize gibt, weil es eine identitäre Verbindung zwischen dem Teil und dem Ganzen gibt. Gemein war ursprünglich ein Wort für Zusammengehörigkeit und Vertrautheit. Hier liegen unsere natürlichen Wurzeln als Spezies. Menschen organisieren sich spontan stets in Gemeinschaften wie Familie, Klan und Stamm – unsere Art und Weise, einen Schwarm, eine Herde, eine Rotte zu bilden.

Die Arbeit von David Graeber und David Wengrow zeigt auf, dass wir wahrscheinlich schon immer mit dem Wechsel zwischen hierarchischen und egalitären Beziehungen gespielt haben. Jahreszeiten, Wanderungen und Zusammenkünfte wurden gern genutzt, um die jeweils andere Form der Entscheidungsfindung zu praktizieren. Im Gegensatz zu den letzten paar Tausend Jahren, in denen Autoritäten ihre Herrschaft über immer längere Zeiträume, Territorien und Bevölkerungen zu verstetigen strebten und dabei einander sogar bekämpften und absorbierten, bestanden hierarchische Strukturen in der vorzivilisatorischen Ära meist nur vorübergehend bzw. für kurze Zeit mit einer begrenzten Zahl von Teilnehmern.

Wie unten so oben

Hierarchien gibt es heute überall in unserer Gesellschaft: im Dorf, im Land, im Staat und international, und diese Einheiten verhalten sich zu einander ebenfalls hierarchisch, denn jede Hierarchie ist stets Teil einer größeren Hierarchie.

Die verschiedenen Pyramiden stehen jedoch nicht für sich. Sie überlappen einander. Tatsächlich sind sie alle Teil derselben größeren Pyramide. Da sie ähnlich strukturiert sind, erkennen wir, dass die Teilpyramiden holographische Abbilder der großen Pyramide darstellen. (Entsprechung: wie oben so unten)

Wo man in der großen Pyramide die Grenzen zwischen den Schichten / Strata / Stockwerken / Etagen / Ebenen zieht, beruht auf dem Augenmerk. jede Person ist im Grunde ein Stockwerk, entsprechend der „Hackordnung“. Verschiedene verallgemeinernde Aspekte können jedoch verwendet werden, um sie zusammenzufassen und dann in sozialen Schichten zu unterscheiden: z.B. aufgrund Besitz, Beruf oder politischem Einfluss. In der Realität gibt es keine scharfe Trennung, sondern partielle Durchlässigkeit. Sie enthält auch Netzwerke von Gleichberechtigten, teilweise über Schichten hinweg. Die Schichtung ist aber durchaus von Bedeutung sowohl für das allgemeine Funktionieren des ganzen gesellschaftlichen Gebildes als auch für das Leben des Einzelnen. in ihr.

Pyramiden werden nach oben hin schmaler und enden in einem einzigen Punkt, ganz wie bei gesellschaftlichen Hierarchien: Je tiefer eine Schicht angesiedelt ist, desto mehr Menschen sind in ihr enthalten und desto weniger drückt sich ihr Wille in der gesellschaftlichen Wirklichkeit aus. Je weiter man aufsteigt, desto geringer wird die Zahl der enthaltenen Personen jeder Schicht, und desto mächtiger sind diese Individuen und Schichten jeweils.

Praktisch ausgedrückt: Internationales Recht bricht Bundesrecht, Bundesrecht bricht Landesrecht, Landesrecht bricht kommunale Entscheidungen, und diese wiederum negieren den Willen Einzelnen.

Die Macht geht also nicht von „unten“ aus, wie es auch sein könnte, wenn man zB die Schweiz anschaut, wo eine Gemeinde die Projekte und Vorgaben von „oben“ (Kanton, Bund, internat.) per Abstimmung stoppen kann. Wenn Aktivität von unten ausgeht, kann sie nur durch Konsens nach oben bzw. in die Fläche gehen. Wenn Aktivität von oben angeordnet wird, ist das Gewalt. Jede Hierarchie resultiert in einer einzigen Person an der Spitze. 80 Mio Deutsche, 11.000 Gemeinden, 400 Kreise, 16 Länder, 1 Staat verkörpert durch 1 Kanzler. Alle uns bekannten Hierarchien sind Teil einer umfassenderen Hierarchie. Das lässt außerdem darauf schließen, dass es jenseits der ostentativen Regierungen weitere Etagen gibt, möglicherweise in universellem Maßstab. Global betrachtet muss es ebenfalls eine einzige Gewalt geben, die über alle und alles herrscht. Jeder kennt deren Namen… wir werden ihre Identität erkennen, wenn wir in einer der letzten Sendungen über die Pyramidenspitze sprechen.

Wenn wir eine anderen Organisationsform, ein anderes Muster wählen, etwa die egalitäre Gruppe, die gleichberechtigt neben anderen solcher Gruppen steht, betreten wir eine andere kosmische Domäne.

Die Pyramide, obwohl sie ein vereinfachtes Modell des Zusammenspiels darstellt, ist das wohl treffendste Bild, die gegenwärtige Struktur der menschlichen Gemeinschaft zu beschreiben. Sie ist das Gegenteil einer guten Gesellschaft mit flacher Struktur und daher kein geeignetes Modell für utopische Entwürfe. Ihr auffälligstes Wesensmerkmal ist die stabile Hierarchie, für die sie steht, die sozialdarwinistische Auffassung, dass es ein „oben“ und ein „unten“ gibt, gefüllt mit Menschen die besser oder schlechter geeignet sind, führende Positionen auszufüllen. Die Pyramide ist daher ein kollektiv geformtes Weltbild, das in Form gesellschaftlich hierarchischer Strukturen Wirkung in der Gruppe entfaltet; dies ist kein von der Natur vorgegebenes Prinzip für menschliches Zusammenleben.

Ich verneine hier ausdrücklich nicht, dass es natürliche, durch Kompetenz legitimierte temporäre (An-) Leitung geben kann, sondern ziele auf die ungültige Auffassung von inhärenter Wertigkeit des Menschen und dem daraus erwachsenden Anspruch auf dauerhafte Dominanz über die Körper und die Früchte der Arbeit Anderer ab.

Psychologie der Pyramide

Wie gelingt Individuen der Aufstieg? Beobachten wir zuerst, wie diese charakterlich und moralisch beschaffen sind und was sie tun. Es wird oft beklagt, dass eine Führungsposition das Individuum nicht befähigt, grundlegend etwas am Konstrukt zu ändern. Letztlich bestimmten die Zwänge des Systems, welche Entscheidungen zu treffen seien. Das bedeutet aber, dass diese Entscheidungen nicht am Wohl der Gesellschaft ausgerichtet sind – und ganz gewiss nicht am Wohl jedes Individuums –, sondern am Weiterbestand des Systems.

Das System als Ganzes agiert also narzisstsich bis psychopathisch, und das darin eingespannte Führungspersonal muss mitziehen. Das ist auch, was wir an der Politik oder bei Konzernleitungen, Polizei oder Militär beobachten können. Sie tun ausschließlich, was ihre Funktion verlangt, nicht mehr, nicht weniger, denn nur so können sie die vermeintlichen Vorteile beziehen, die ihnen selbst nützen. Solch unempathisches Verhalten wäre in einer Familie oder im Freundeskreis völlig inakzeptabel; es widerspricht dem menschlichen Empfinden für rechtes Handeln. Daher geht jede Funktion – und die gesamte Pyramide – mit Recht-Fertigungen einher, die über die wahren Verhältnisse hinwegtäuschen: Es diene dem Gemeinwohl, es müsse sein, so sei das Gesetz, wir alle hätten zugestimmt, andernfalls regierte das Chaos.

Führungskräfte lügen, betrügen und ordnen Gewalt aller möglichen Art an, wenn ihren Befehlen nicht Folge geleistet wird. Das heißt, sie hören nicht auf ihr Gewissen, wenn sie überhaupt eins haben, und sie zwingen andere – Funktionsträger, Verwalter, Beamte, Ordnungs- und Sicherheitskräfte –, Gleiches zu tun. So kommt man als Führer auch an die Macht, sei es in einer Monarchie, in einer Diktatur, im Sozialismus oder in einer Demokratie. Sie fügen sich ihren Oberen, wenn sie müssen; sie beseitigen ihre Konkurrenten, wenn sie können und sie missbrauchen ihre Untergebenen, wenn sie wollen.

Würden sie sich mit anderen zusammentun, wenn es ihnen nützt? Würden sie wichtige Informationen verheimlichen, wenn ihre Verbreitung ihnen schadet? Wir erwischen sie ständig dabei. Was hält also irgendjemand davon ab, zu verstehen, dass Führer selbstverständlich Teil einer Verschwörung sind? Und dass Verschwörung die Natur der Pyramide ist? Die Pyramide nährt das Soziopathische, und darum ziehen Pyramiden hauptsächlich egoistische, gewissenlose, unempathische, grausame Menschen an. Wenn sie im Sinne des Systems handeln, begünstigen sie sich selbst. Das Sich-selbst-Begünstigen hat nicht nur System, es ist das System der Pyramide. Es kann darin niemals Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit geben. Diese sind Gift für das System. Weil sie permanent Mangelware sind, kann man sie als hehre Ziele proklamieren, die die Untergebenen zu größeren Leistungen anspornen, aber leider, leider nie erreicht werden. Kein Führungspersonal kann es sich jedoch leisten, Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit außer in kleinen Happen zur temporären Pazifizierung der Untergebenen uneingeschränkt zu gewähren.

Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit sind Voraussetzungen für das Vorhandensein von Menschenwürde, und ohne diese Menschenwürde gibt es keine Menschen, sondern nur Sapiense. Das Menschsein wie das Frei-Sein, das Naturrecht, die Wahrheit und die Nächstenliebe vertragen sich nicht mit dem Vorhandensein der pyramidalen Struktur. Wer ein freier Mensch sein will, muss selbst aus dieser Struktur ausbrechen. Wahre Freiheit wird erkämpft.

Man kann niemanden per Schenkungsurkunde, per Dekret befreien. Der Führer, der das System von innen zu zerstören versucht, zerstört die eigene Macht, etwas zu ändern. Viel eher jedoch wird er von seinen Konkurrenten oder Vorgesetzten ausgeschaltet, bevor all zu großer Schaden am Bauwerk entsteht. Ohnehin kommt niemand besonders weit nach oben, wenn er seinem Gewissen folgt, denn er hat überhaupt keinen Drang dazu, andere herumzukommandieren. Er leckt keine Stiefel und er begeht kein Unrecht. Und wenn er den Aufstieg trotzdem versucht, wird er als gefährlicher Störer von Positionen der Macht ferngehalten. Wer erfolgreich die Stufen der Hierarchie erklommen hat, tat dies auf Kosten von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit, Brüderlichkeit und des eigenen Menschseins. Er wird es sich zur Natur gemacht haben, diese zu bekämpfen, wo er nur kann.

Würde so ein Jemand eine Pyramide erfinden und durchsetzen, wenn er könnte? Es geschieht bei jeder Konzern- und Staatsgründung. Kann die Pyramide jemals als natürliches Gebilde entstanden sein oder ist sie nicht vielmehr das Ergebnis perverser, unmenschlicher Denkvorgänge? Der Vorstellung, dass ich vom Rest der Schöpfung völlig getrennt existiere; dass mein Wohlergehen und Überleben wichtiger sei als das aller anderen Wesen; dass Moralität hierbei nur stört und deshalb meinen Bedürfnissen angepasst werden muss; dass ich mich im Kampf aller gegen alle bewähren muss, bei dem sich die Starken gegen die Schwachen durchsetzen; und dass man die Schwachen ausmerzen muss. Es sind dies die Glaubensbekenntnisse eines Satanisten. Dieses Weltbild ist die Voraussetzung, um sich zur Macht aufzuschwingen.

Diejenigen, die Macht über andere angesammelt haben, besitzen diese nicht zufällig oder weil sie dem Fußvolk gefallen, sondern weil sie Architekten der Pyramide sind, in der sie aufsteigen. Sie bauen aktiv an ihr mit und festigen ihren Zusammenhalt; sie haben gelernt, wie das geht. Sie sind Lehrlinge, Gesellen oder Meister einer universellen Loge, an deren Spitze ein luziferisches Bewusstsein steht. Selbst die höchsten Chargen sind daher nicht frei, sondern im Gegenteil die unmenschlichsten Sapiense überhaupt. Ihr Aufstieg gelingt ihnen nur aufgrund ihrer fortschreitenden Selbstentmenschlichung, die sich auch und vor allem in ihren entmenschlichenden Handlungen gegenüber den Untergebenen zeigt. Ein Mensch, der frei denkt, fühlt und handelt, ist für die Pyramide verloren. Die Bewusstwerdung sowie das Handeln im Rahmen des Naturrechts sind daher die einzigen und stärksten Waffen im Kampf um Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Brüderlichkeit. Letztere sind jedoch keine zu verwirklichenden Ziele, sondern die notwendigen Eigenschaften, Denk- und Handlungsweisen des Sapiens, der ein Mensch sein will.

Literatur

  • The Pyramid of Power / Derek Broze
  • Die Hierarchie der Verschwörer: das Komitee der 300 / John Coleman
  • Anfänge: eine neue Geschichte der Menschheit / David Graeber, David Wengrow

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